One Summer

Lilly Otersen

by Lilly Otersen

Story

Ich bin sprachlos. Meine HĂ€nde zittern. In meinem Kopf herrscht eine Leere, die ich selbst nicht greifen kann.

Es kommt in meinem Kopf gar nicht an, weshalb mein Gesicht auch völlig erstarrt ist. Mein ganzer Körper ist angespannt. Ich blicke betreten zu Boden. Ich betrachte die vielen Grashalme, welche sich um meine Schuhe herumwinden. Auf diese Art und Weise versuche ich, meinen eigenen Gedanken zu entfliehen und die Situation zu verdrÀngen. Es kann nicht sein, denke ich nur. Das sind die Worte, die sich immer wieder in meinem Kopf wiederholen. Wieso, wieso, wieso. Wieso ist es so passiert?
Als er sich rĂ€uspert, werde ich wieder in die RealitĂ€t zurĂŒckgeholt. Ich sehe zu ihm auf und er sieht mich erwartungsvoll an. Erwartungsvoll? Was denkt er, was ich sage? Muss ich etwas dazu sagen?
Der Wind streicht durch meine Haare und lÀsst sie durch die Luft wirbeln. Er mustert mich und sieht mich unverwandt an. Als könne er meine Reaktion nicht deuten. Dabei kann ich es selber nicht. Ich sehe ihn an und versuche zu verstehen, was gerade passiert. Ich möchte es nicht glauben. Weil es nicht wahr sein kann. Es geht nicht.
Aber er zeigt keine Reue. Alles, was wir hatten, hat sich vor genau zwei Minuten und einundvierzig Sekunden in Luft aufgelöst. Ja, ich habe die Sekunden gezÀhlt. Zu etwas anderem war ich in dem Moment nicht in der Lage.
Langsam setzen sich die Puzzleteile in meinem Kopf zusammen. Ein paar Dinge fangen an Sinn zu machen. Mir steigen TrÀnen in die Augen aber ich blinzle sie sofort wieder weg. Ich möchte mich vor ihm auf keinen Fall verletzlich zeigen, das hat er nicht verdient. Nichts hat er verdient.

Als er Anstalten macht, wieder anzufangen zu reden, drehe ich mich auf der Stelle um und gehe. Ich schiebe mein Fahrrad, weil meine Beine so sehr zittern. Ich umklammere fest die Griffe von meinem Rad, wĂ€hrend ich mich langsam die Straße entlang bewege. Dabei rutscht mir mein Fahrrad fast aus der Hand, weil meine HĂ€nde vor Anspannung so sehr schwitzen. Ich weiß, dass er mir nachschaut. Ich weiß, dass er es irgendwann bereuen wird. Er geht mir aber nicht nach. Weil er weiß, was er verloren hat.
Am Ende der Straße bleibe ich stehen und schaue noch einmal zurĂŒck, auf unseren Weg. Den Weg, den ich nie wieder gehen kann, ohne an all das zu denken. Mein Brustkorb schmerzt und alles zieht sich in mir zusammen, als ich sehe, dass er immer noch dort steht.

Es kann nicht wahr sein. Es DARF nicht wahr sein.

Das werden die Worte sein, die mir die nÀchsten Jahre immer wieder durch den Kopf gehen werden.




© Lilly Otersen 2023-12-13

Genres
Novels & Stories
Moods
Emotional, Hoffnungsvoll