Ich liebte Sonnenaufgänge schon immer. Die Dunkelheit verschwindet und das Licht erhellt Das Leben. Alles erwacht und lacht.
Das war auch an dem Tag so, an dem ich meinen Freund im Krankenhaus besuchte. Der Sonnenaufgang erhellte Das Krankenhaus von außen in einem sanften Orange-Ton. Ich ging damals, mit Frühstück ins Krankenhaus und direkt ins Zimmer meines besten Freundes. Das war jedoch bei uns anders. Wir hatten uns damals zugegeben im Internet kennengelernt. Meiner und seiner Familie war klar, dass wir mehr waren als gewöhnliche Freunde. Wir trafen uns fast jeden Tag nach der Schule, gingen zusammen in die Stadt oder einfach spazieren im Park. Es war immer angenehm zwischen uns, ohne Druck der Außenwelt, Druck voneinander. Natürlich waren wir erst zwölf, Anfänge der Pubertät zeigten sich, jedoch nicht so, dass wir uns verliebten. Eher wie eine Seelenverwandtschaft. Wir verbrachten also viel Zeit miteinander, weswegen ich einer der ersten Menschen war, die erfuhren, dass er im Krankenhaus lag. Bei Untersuchungen stellte sich heraus, dass er sogenannte Lungenbläschen hatte. Das bedeutete, dass die Flüssigkeit der Gallenblase, in kleinen Bläschen in die Lunge gelangt waren und dort verweilen. Sollte eines dieser Bläschen platzen, tritt der fast sofortige Tot ein.
An dem besagten Tag ging ich in Das Orange getauchte Krankenhaus hinein. Es ging ihm besser. Er war Kurz vor der Entlassung und ich wollte unbedingt dabei sein. Aufgeregt lief ich durch die Flure. Bald werden wir wieder Spazierengehen können, in der Stadt bummeln können, bald könnten wir wieder alltäglich sein. Bei ihm im Zimmer angekommen, hatte ich kurz einen Moment der Verwirrung. Er lag da, wieder blasser, die Augen geöffnet und lächelte mich an. “Guten Morgen”, sagte er. “Setz dich zu Mir” fügte er hinzu und ich setzte mich auf den Stuhl. “Was ist los?” Frage ich ihn “Du warst doch fit?” Er nickte. “Das war ich aber es kam ein Rückfall”. Er machte eine Pause, setzte sich auf und aß mit mir die Brötchen. “Wenn ich sterben sollte …” Fing er an aber ich unterbrach ihn. “Wirst du aber nicht” “Aber wenn doch …” “Nein” unterbrach ich lachend. “Du wirst das überleben” beendete ich meinen Satz. “Mira …” Mahnte er mich schmunzelnd. Er redete schon immer viel reifer als man von ihm erwartet hätte. “Ok. Was, dann?” Gab ich nach. “Welche Farbe soll der Himmel haben, wenn ich sterbe?” Ich schaute ihn an. “Du weißt aber schon, dass das nicht funktioniert, ja?” Er rollte mit den Augen und lachte “sag schon” und auch ich rollte mit den Augen, sagte aber mit einem verschmitzten lächeln; “Rot. Er soll in einem strahlenden Rot die Stadt umhüllen.” Er nickte. “Ok Jack, ich muss los zur Schule. Stirb nicht” lachte ich, umarmte ihn und ging. Am Nachmittag wurde ich angerufen. An den Anruf erinnere ich mich bis heute. Jack hatte seine Schwester, Helena. Sie rief mich an und teilte mir weinend mit, dass er von uns gegangen ist. Auch ich begann zu weinen. Sie sagte mir, dass seine letzten Worte waren; “Helena, sag Mira, dass ich vom Himmel Aus auf sie aufpassen werde”. Am 16.04.2016, hatten wir einen wunderschönen Sonnenuntergang. Einen wunderschönen, roten, Sonnenuntergang.
Inzwischen weiß ich auch, wie schön Sonnenuntergänge sein können. Sie beenden den Tag und geben einigen Menschen Frieden.
© Samantha Warnke 2024-06-25