by Yessi
Er hat mich immer ermutigt. Er hat immer an mich geglaubt.
Er hat mich mitten in der Nacht nachhause gefahren. Er ist mitten in der Nacht für mich aufgestanden und hat nach mir gesehen. Er hat mir die Liebe geschenkt, die er aufbringen konnte, und er hat mich nicht verlassen.
Diese alkoholbedingte intensivierte Art Gefühle zuzulassen, haben auch krasse Verlustängste zum Vorschein gebracht, und ich hab angefangen jedes Mal zu weinen, wenn er nachhause geht. Aber er ist geblieben.
Nicht bei mir zuhause. Er ist gegangen, und ich habe geweint. Aber er ist geblieben. In meinem Leben. Als Freund.
Er hat mich unterstützt so gut er konnte.
Und er war mir ein Vorbild, im Bezug auf Glauben und auch im Bezug auf Alkohol. Er ist kein Christ. Er ist Moslem. Und er trinkt nicht.
Aber auch die beste Freundschaft zu dem wundervollsten Menschen nimmt uns unsere eigene Entzugsleistung nicht ab. Und das ist auch nicht ihre Aufgabe.
Wir dürfen einander Lasten abnehmen, und wir sollen uns gegenseitig unterstützen und fördern, aber es ist nicht unsere Aufgabe den Weg des anderen zu gehen. Jeder von uns hat seinen eigenen Weg. Es ist unsere Bestimmung unsere Bestimmung zu leben. Nicht die eines anderen. Es ist unsere Aufgabe unseren Kampf zu kämpfen. Nicht den Kampf eines anderen.
Er unterstützte mich so unglaublich viel; aber ich kämpfte immer noch mit der Problematik. Ich log auch ihn an; wobei ich nicht weiß, ob er es wusste. Wahrscheinlich schon.
Jetzt, da ich keinen Alkohol mehr trinke, weiß ich, dass man es Menschen ansieht, wenn sie auch nur eine kleinste Menge Alkohol im Blut haben. Zumindest sehe ich das. Wahrscheinlich sehen andere Menschen das nicht.
Ich kam also trotz allem nicht zu Ziel. Ich hatte zwei bis drei Rückfälle pro Monat.
Daher besorgte ich mir ein Buch. “Die Klarheit” von Leslie Jamison. Diese Buch war eine fortlaufende Offenbarung. Es zu lesen ist beängstigend und fällt nicht leicht. Es orientiert sich an Treffen der Anonymen Alkoholiker. Die Autorin selbst ist trockene Alkoholikerin.
Sie spricht auch von Gott.
Ich hab aber anscheinend jeden Fingerzeig in diese Richtung überlesen.
All die Zufälle, all die Zeichen, all die Unterstützungen.
Ich hab es nicht gesehen und trotz meiner Entscheidung das Richtige tun zu wollen, rutschte ich immer weiter ab.
Und dann hatten wir eine Klausur. Es war März.
© Yessi 2023-08-31