Von Chrzanów nach Duisburg

Anika_Laura

by Anika_Laura

Story

Chrzanów 1969. Der Anruf und die Zusage für die Einwanderung nach Deutschland waren für Edeltraud und Zygmund die Türöffner in eine neu Welt, in ein neues Leben. Am 06. Dezember 1969 war es endlich soweit, die Familie machte sich auf den Weg nach Deutschland. Am selben Tag ging es auch für die Familie von Alfi nach Deutschland, nur dass sie nicht mit dem Zug, sondern mit dem Schiff reisten, von Sydney nach Duisburg.

Auf der Überreise spielte die kleine Silvia mit ihrer großen Halbschwester Jenny, malte Bilder und fragte die Eltern alle fünf bis zehn Minuten, wann sie denn endlich da seien. „Już niedługo. Bald, mein Herz, aber etwas Geduld musst du noch haben.“ Sagt Edeltraud sanft. Es geht durch verschiedene Landschaften, und durchgehend ist es bitterkalt. Gut, dass sie eine große Kanne Tee und warme Mäntel dabeihaben. Dann endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit oder auch zehn Stunden: Die Ankunft in Duisburg.

Die Familie von Silvia ist eine von vielen Familien aus Polen, genau genommen aus der Grenzregion Oberschlesien, die nach Deutschland aussiedeln. Sie zählt damit zu der damals größten Gruppe von Aussiedlern nach Deutschland. Zu Beginn lebt die Familie in einer Sammel-Unterkunft, bis sie nach einem Jahr in eine Mietwohnung ziehen können: auf der Graf-Bernadottestraße in Duisburg. Dort wächst Silvia auf, dort wird Jenny erwachsen. Und 1975 folgt ein drittes Geschwisterkind: der kleine Peter Paul.

Doch nach der Geburt von Peter wird die Beziehung von Edeltraud und Zygmund durch seine Arbeit und die vielen Male, die er erst spät zu Hause ist, auf eine harte Probe gestellt, die sie leider nicht überlebt. Die Arbeit, die damit verbundenen Überstunden und das abendliche Bier mit den Kollegen stehen im Gegensatz zu dem, was sich Edeltraud unter einem Familienleben vorstellt. Sie wünscht sich, dass sie und die Kinder mehr Zeit mit dem Vater verbringen können, dass sie ein Leben miteinander teilen. Die Stimmung spannt sich über einige Jahre hinweg an, bis eine der Streitigkeiten von Edeltraud und Zygmund eskaliert und dazu führt, dass Edeltraud – die starke und unabhängige Frau, die sie nun mal nach wie vor ist – sich endgültig von ihm trennt und mit den beiden Kindern Silvia und Peter auszieht. Jenny ist bereits erwachsen und lebt in ihrer eigenen Wohnung.

Edeltraud hadert lange mit der Entscheidung, sie war sich zunächst nicht sicher, ob sie sich trennen kann und soll – mit zwei Kindern und ohne eigene Arbeit. Doch auch nach der Trennung unterstützt Zygmund, der die Gründe der Trennung sehr bereut, die Familie finanziell. Edeltraud und den Kindern soll es an nichts fehlen.

Duisburg, 1980. Edeltraud geht hin und wieder mit Jenny zu einem Tanzlokal in der Gegend. Eines Abends bemerkt sie einen Mann – mindestens zehn Jahre jünger als sie – der die ganze Zeit zu ihnen rüber schaut und lächelt, immer wenn sich ihre Blicke treffen. Plötzlich läuft er zum Tisch von Jenny und Edeltraud. „Hallo, ich bin Friedhelm. Hätten Sie Lust auf einen Tanz?“


© Anika_Laura 2024-03-11

Genres
Biographies
Moods
Adventurous, Hopeful