Wir möchten dir bleiben. Auflösung II/Epilog

Petra Stoppacher

by Petra Stoppacher

Story

Sie beeilten sich, zu ihrem stillen Rückzugsort zu kommen, doch kurz davor zauderte Hilde und bibberte: „Ich bin vor Kälte ganz klamm geworden“, worauf Frieda fragte: „Auch vor der inneren Kälte der anderen?“, was Hilde bejahte. Do zog Karim beide schnell weiter. Bei ihrem Domizil angekommen, ließ er die beiden vor und zog die Tür hinter sich zu. Es war nämlich so: Heimlich konnten auch verletzte Menschen glücklich sein. Dort, in dieser Hütte, in welcher winzige Staubpartikel flimmerten und es kein fließendes Wasser gab, fühlten sie sich sicher. Es war das Land ihrer inneren Verbundenheit, wo Wunder möglich erschienen. Endlich fanden die kleinen Seelen Rest. „Es ist schwer, in dieser Welt aufzuwachsen, in der man einander keine Ruhe lässt“, seufzte Karim. Der Weg schien endlos zu sein, und dabei verlangten Erwachsene, wie zum Beispiel ihre Eltern, von ihnen Unbeschwertheit, weil sie sich vermutlich damit anstecken lassen wollten. „Kind“, seufzten diese wiederum. Dass sie es damit Karim, Frieda und Hilde nicht eben leichter machten, kapierten sie nicht.

Erfreulicherweise rührte sie noch weitere Gesellschaft an: Hier gab es eine Vielfalt an Insekten und etwas größerem Getier. Beim Beobachten der Tiere kamen sie auf viele Gedanken: „Sie sind nicht arm“, sagte Frieda ernst. Fragezeichen schienen über den anderen beiden Köpfen zu stehen. „Ja, arm ist man wenn man nicht weiß, wofür man gut ist“, erklärte Frieda daraufhin, zögerlich: „Sie haben einander, sie wissen also, wozu nutzt, was sie tun. Für wen sie es machen.“ Sie war schneller geworden in ihrer Ansprache. Die anderen beiden nickten. Sie verstanden, was Frieda meinte. Wie um der Einsamkeit ein Schnippchen zu schlagen, betrachteten sie gegenseitig ihre inneren und äußeren Wunden, während sie vor der Hütte an kleine Steine traten und diese so lange mit dem Fuß bohrten, bis sie sich lösten. Sie konnten einander so viel geben, nur indem sie zuhörten. Es war Magie, nein, es war einfach Zuwendung, aber davon nicht zu knapp. Die Herzlichkeit war ihnen ein frühlingshafter Moment nach einem langen Winter mit eisigem Zittern vor der Eiseskälte der anderen. Alles berührte sie nun.

Keiner verglich sich. Doch es war wie ein kleines bisschen Gerechtigkeit, nicht alleine gelassen zu werden. „Hat dir jemand zur Seite gestanden?“, fragte da einer den anderen. Aber sie kannten die Antwort, welche Nein lautete. Doch sie wollten jetzt aufhören zu leiden, jetzt. Immerhin, nun, nachträglich, konnten sie einander zuhören und gaben damit an, wie sie sich heldenhaft gegen das Unheil aufgelehnt hätten, wären sie dabei gewesen. Auch wenn nicht ganz klar war, ob das funktioniert hätte… der Wille zählte. Ihre Ideen waren auch wie bunte Kieselsteine. Dinge, die man berühren konnte, scheinbar; nicht mehr so abstrakt wie die Angst. Langsam kehrte der Frieden wieder. Nicht aufgeben. Die Begeisterung trug. „Am liebsten will ich doch einfach ein Kind sein“, träumte Hilde und fühlte, dass das ein erwachsener Gedanke war. „Aber jetzt, im Moment, fürchte ich mich vor gar nichts mehr. Unser Lachen hat das Dunkel gefressen.“ Hildes Augen leuchteten, als sie ruhig und bestimmt diese Worte sprach. „Weg ist die Angst“, bestätigte Karim.

Selbst wenn der raue Wind, der ihnen entgegenwehte, sie zu verschlingen drohte: Frida, Karim und Hilde waren Freunde.


© Petra Stoppacher 2023-04-26

Genres
Novels & Stories, Self-help & Life support
Moods
Hopeful, Inspiring
Hashtags