Wir möchten dir bleiben. Teil 1-2

Petra Stoppacher

by Petra Stoppacher

Story

1. Mobbing an Hilde

Eilig ging Hilde von den ihr zugekehrten Rücken in der Garderobe zur Klasse. Als sie die Klasse betrat, sah sie ihre Mitschüler dort etwas nachäffen. Sie hoben die Hände und tippten mit dem Zeigefinger in die Luft, schier an die Decke, nach oben. Das Herz war ihr bleischwer, als sie die Ahnung beschlich, dass sie wegen ihr so deuteten. Um sie auszuspotten. Ausgrenzung lähmt. Sie war es müde. Eine Mauer zwischen sich und dem Rest war schnell errichtet… Zusätzlich sah Hilde ein paar zerstreute Schulgegenstände am Boden liegen, die eindeutig mutwillig dort hinuntergeschmissen worden waren… Beweis genug war das Schweigen, als sie nähertrat und sie mit einem Schaudern wieder aufhob. Dieses Durcheinander war kein zufälliges. Sie schüttelte stumm den Kopf.

Ihr sank der Mut. Sie hatten kein Gefühl für sie, auch keinen Mut, es zu versuchen mit ihr. Dabei war sie auf schon fast lächerliche Weise zuvorkommend zu ihnen. Dahinter war ihre Nervosität, nicht bestehen zu können vor dem allzu fremden Volk der MitschülerInnen. Hilde konnte nicht „hör‘ doch einmal zu“, sagen, es wäre so fehl am Platz gewesen wie sie selbst sich fühlte. Dabei hätte sie ihnen im Unterricht gerne helfen wollen. Fühlte sich aber selbst mittlerweile ganz hilflos.

2. Gewalt an Karim

„Schmächtig“, das war kein schönes Wort, auch wenn Karim zuerst gedacht hatte, es habe mit „schmachten“ etwas gemein. Schmächtig war ein Schimpfwort für zierliche Jungs, wie er einer war. Es war nur der Anfang einer Serie von unglücklichen Momenten an diesem Tag gewesen, so genannt zu werden. Die Angst lastete schon zuvor wie ein Gewicht auf ihm, und die brutalen Mitschüler schienen das zu ahnen. Sie rempelten Karim an und als er, etwas unbeholfen, weil er etwas unbeholfen war, hinfiel, trat einer auch noch nach ihm. Er spürte den Schmerz in sich pulsieren, als würde etwas unter seiner Haut platzen. Dennoch gelang es ihm nicht sich zu wehren. Die Worte „Hör‘ auf, du tust mir weh“ zerbröselten scheinbar, bevor er sie ausrufen konnte. Gewalt lähmt. Er war es müde. Es war nicht mehr auszuhalten… Karim brach in Tränen aus. Als sie sahen, dass er sich nicht wehrte sondern nur stumm weinte, hörte die Horde auf. Er zog seinen Schuh wieder an und setzte die Kappe wieder auf. Noch immer fühlte sich Karim seinen Ohnmachtsgefühlen und dem Peiniger ausgeliefert. Der Peiniger war hinter die anderen getreten, sodass sie ihm Schutz boten. Karim hätte auch so nicht Rache geübt.

Nachher bestritten sie es und die Mitläufer taten ganz so, als hätten sie nichts gesehen. Sie wollten sich selbst schützen. Er war ihnen nicht böse. Doch Enttäuschung erfüllte ihn schon bei ihren bleichen, doch gleichgültigen Gesichtern. Wie abgestumpft mussten sie sein? Dunkelheit lag über ihren wahren Wesenszügen… nun ja, das blieb immerhin noch zu hoffen. Und Karim hoffte.



© Petra Stoppacher 2023-04-26

Genres
Novels & Stories, Self-help & Life support
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