Zwischen Hochhäusern und bunten Stickern 2

Lu Abracci

by Lu Abracci

Story

Es war 11 Uhr morgens. Es war ein heißer und schwüler Tag. Der Asphalt flimmerte vor lauter Hitze. Es waren keine Wolken am Himmel zu sehen, die ein wenig Schatten spenden konnten. Ich saß auf der untersten Treppenstufe des Eingangs und hatte meinen Kopf auf meinen Händen abgestützt. Ich wusste nicht genau, auf was ich wartete, aber ich tat es. Ich hoffte, dass vielleicht noch etwas Spannendes an diesem Tag passieren könnte.

Doch nichts geschah. Nur die Vögel pfiffen laut und die Autos in der Ferne rauschten davon. Wenn ich genau hinhörte, konnte ich mir sogar vorstellen, dass der Beton vor lauter Hitze leise vor sich hin zischte. Ich wollte gerade schon aufstehen, um mir etwas zur Erfrischung zu holen, da kam eine Gruppe von Kindern angelaufen. In den Händen hielten sie mehrere bunte Wasserballons. Begeistert fuhr ich hoch und lief auf sie zu. Unter ihnen erkannte ich einige Nachbarsjungen, mit denen ich früher gespielt hatte.

Ich fragte: „Was macht ihr?“ Einer von ihnen hatte drei blaue Ballons in den Händen.

Er antwortete: „Eine Wasserschlacht, duh.“ Ich war hin und weg, genau das war es, was ich jetzt an so einem heißen Tag wie diesem gebrauchen konnte.

Ich fragte: „Darf ich mitspielen?“ Einer meiner ersten großen Fehler. Laute „Ew“-Geräusche und Lachen schallten aus der Gruppe. Ich merkte, wie mir heiß wurde, nicht wegen des Wetters, sondern vor Scham. Ich wusste nicht, wofür ich mich schämte, aber wenn eine Gruppe voller Kinder sich über dich lustig machte, fühlt man sich halt so.

Etwas eingeschüchtert fragte ich sie: „Warum denn nicht?“

Die Antwort kam wie eine Wucht auf mich zugeschossen, aus dem Mund des Jungen mit den drei Ballons, voll mit hochnäsiger Selbstsicherheit und Abwertung: „Du darfst nicht mitspielen, Du bist ein Mädchen!“

Er sprach das Wort „Mädchen“, als wäre es etwas Ekliges. Ich drehte mich um und lief davon, nicht rennend, sondern langsam und bewusst. Ich spürte jeden Muskel, jeden Atemzug, als hätte ich das Laufen verlernt. Ich wollte nicht, dass sie merkten, wie meine Lippen zitterten und meine Augen anfingen zu brennen. Ich wollte nicht, dass sie mitbekamen, wie meine Wangen rot anliefen und wie in meinem Kopf ein Wirbelsturm an Fragen und Emotionen hochkamen.


© Lu Abracci 2024-06-05

Genres
Novels & Stories