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#märchenwelt#lächen

Föhnsturm

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Föhnsturm | story.one

Da wollt‘ ich über diesen Föhnsturm schreiben.

Hätte schreiben können, wie der Sturm sich schon mit Wolkenwundern am Himmel angekündigt hatte, wie die Farben der Landschaft unwirklich wurden, der Föhn diesen eigenen etwas wirren Blick auf manche Gesichter gezaubert hatte. Es wäre leicht gewesen mitzuschreiben, wie die einen sich über die Wärme freuten, die anderen aber dem alten Brauch anheimfielen, dem Unbill Stimme zu verleihen. Dies alles war verzaubert durch ein Blättergewirr, das lustig, noch unbekümmert über Plätze und Straßen kreiselte und durch Gerüche, welche in den letzten Wochen der eisige Herbst schon eingefroren hatte. Es war ein Tag wie aus einem in Aquarellfarben gehaltenen Märchenbuch. Am Abend dann frischte der Wind auf, leckte über den Garten, saugte etwas am Kamin, alles aber noch in freundlicher Manier. So legte ich mich schlafen.

Ich hätte auch schreiben können, wie mich das Geschepper mitten in der Nacht aufgeweckt hatte, wie dann die Böen durch ihr Rütteln an Hecken und Zäunen mir ins Ohr geschlichen sind, sich dann aufgebläht haben, dass mir Angst um die alten Dachschindeln wurde. Wie dann das Geschepper ob seiner Penetranz in mir Verdächtigungen wachgerüttelt hatte, wer denn da schon wieder, weil ja immer irgendwer irgendwas. Ich hätte aufzeichnen können, wie mich dann die Sorge um die Plane draußen vor dem Haus, aus dem Bett schob, mich blind im Dunklen meinen Bademantel suchen ließ, damit ich sie barfüßig auf überraschend durch den Föhn gewärmten Beton kontrollieren konnte, nur um festzustellen, dass sie es nicht brauchte. Dann aber schreckte mich wieder das Geschepper auf, also auf der anderen Seite des Hauses hinaus in den Garten durch nun schon drohende Blätterwirbel, um in die Nacht zu lauschen, nur um festzustellen, dass ich schon wieder, weil ich ja immer irgendwas.

Ich hätte erzählen können, wie ich dann alles gerichtet, die Stille wieder hergestellt, mich ins Bett gelegt und im selben Moment der Sturm sich gelegt hatte und ich lächeln musste, über sinnlose Sorgen, Ängste, dumme Schuldzuweisungen aus alten Kindheitsarchiven und wie dann der sanfte Schlafwind das alles weghauchte, mich in meine Traumwelten verwehte.

Aber das kam mir dann doch viel zu banal vor. So wollte ich es verwerfen, aus den Gedanken löschen. Nur der Titel wäre schön gewesen. In der Kälte der nächsten Tage schwand die Idee.

Als mich aber heute Morgen der Schlafwind aus meinen Traumwelten mitten in Fetzen der Sturmgeschichte und vielen andern Bruchstücken, wie denen vom gestrigen Krimi, der Radtour in dem dann doch eisigen Wind, dem Kampf mit den verschlungenen Sprachen meines Computers, der Kommunikation in Biosphären und vielen anderen Erlebnisruinen zurück wirbelte und mich sanft über die Schwelle in meine Wirklichkeit schubste, geschah, was der Erzählung nun endlich wert war:

Ich machte die Augen auf und sah in die Deinen, wie Du mir gegenüber lagst: ein freundliches Morgenlächeln.

© Andreas Schodterer 2020-12-21

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