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#flüchtlinge#google#zeitenwandel

Handys und ihre Erklärungen

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Handys und ihre Erklärungen | story.one

Weißt du noch, wie es war, als du dein erstes Handy gekauft hast? Ich bombardierte den Verkäufer mit Fragen. „Das erklärt sich von selbst!“, hatte er gelassen gesagt, während er mir das Nokiahandy über den Ladentisch schob. Er hatte recht. Mit der Zeit lernte ich die Möglichkeiten des Handys besser kennen. Damals kursierten noch Handy-Witze: „Ein Mann sitzt allein in der leeren Stube im Gasthaus. Als er einen Anruf bekommt, sagt er: ‚Ja, griaß di, Franz. Es isch grad koana da. Ruaf a bissl spata wieder un!‘“ Wer ein Handy hatte, war cool, selbst wenn es ein „Kühlschrankhandy“ war. Während ich mit unserem zweiten Schatz schwanger war, kauften wir das zweite Handy, das bereits ein wenig schmäler ausfiel.

Als ich nach langer Familienzeit wieder arbeiten ging, reichte mir eine Frau ihr Smartphone und zeigte mir ein Foto. Plötzlich war das Bild verschwunden, das Display war schwarz und ich wusste nicht, was ich tun konnte, um das Bild wieder ansehen zu können. Um fit to work zu bleiben, musste ich mir ein Smartphone kaufen.

Zu dieser Zeit hatten wir den Abfahrtsplan aller Züge an der Türe unserer Abstellkammer hängen, um immer über die Zugzeiten informiert zu sein.

Es war an einem Sonntag, als mir in der Kirche ein Bekannter begeistert von der Scotty App der ÖBB erzählte, und zeigte, wie er nun nachschauen könne, wann und wo ein Bus zum Bahnhof fahren würde. Ich fand das unnötigen Schnickschnack, ging ich doch zu Fuß zum Bahnhof. Diese Skepsis verschwand jedoch rasch und Scotty wurde eine meiner wichtigsten Apps am Smartphone.

2015 war ich ein paar Dörfer weiter mit Flüchtlingen am Weg zur „Tafel“, einer günstigen Einkaufsmöglichkeit des Roten Kreuzes. Hier verwendete ein Mann aus Afghanistan sein Smartphone und starrte dauernd auf den Bildschirm. Zwischen katholischer Kirche, Dorfbrunnen und Kuhstall lernte ich Google Maps kennen. Ich fand es skurril, in diesem kleinen Dorf auf das Handy zu starren, anstatt einen Menschen nach dem Weg zu fragen. Die Straße war jedoch menschenleer. Diese App war vielen Flüchtlingen eine gute Orientierung bei der Flucht gewesen. Durch meine afghanischen Bekannten lernte ich, was ein Screenshot ist und wie man ihn macht, aber ich lernte auch die Vorteile von einer Sprachnachricht über WhatsApp kennen.

Kürzlich bekam ein Ukrainer eine Jobempfehlung und ich fuhr mit ihm mit der Bahn zu der Firma. Uns begleitete ab dem Ausstieg eine sonore Googlestimme.

„Jetzt rechts abbiegen!“ Auf der Karte hatte die Firma schwer erreichbar gewirkt, in der Realität war sie leicht zu finden. Vor allem, weil wir jemanden trafen. Dennoch wollte ich die Nutzung dieses Mediums üben.

Wir wurden freundlich empfangen und durchs Haus geführt. Der arbeitssuchende Mann war begeistert von der Firma und hoffte auf den Job. Auch ich hoffte mit ihm, es war noch nicht fix. Während wir mit der freundlichen Chefin in den oberen Stock gingen, sprach die abgehackte Stimme laut aus meiner Jackentasche:

„Sie.haben.Ihr.Ziel.erreicht!“

© Anne_Ladgam 2023-02-04

Dinge und ihre GeschichtenReflexionen

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