Der Traum vom Reisen
- 183

Abgesehen vom beruflichen Pendeln, zwischen den deutschen Bundesländern und ein paar Urlauben in angrenzenden Staaten, war ich noch nie wirklich auf Reisen. Einmal Spanien, lange ist’s schon her, die jährlichen Ferienlager und die regelmäßigen Wandertage durch die Sächsische Schweiz, während meiner Kindheit, schön war’s. Ein Seminar in Kopenhagen, eine Tour nach Grado in Italien, eine Zugfahrt nach Venedig, einmal Zelten auf der Insel Rügen, ein Besuch im Europäischen Parlament in Straßburg, das war’s dann schon. Meine Liebste war schon mal in Indien. Cool! Sie erweckte ihn wieder, den Traum vom abenteuerlichen Reisen, er war verbuddelt, doch nicht tot. Wir hatten bereits Wurzeln geschlagen. Auch wenn diese nicht sehr tief ins Erdreich gelangten, so fühlten sie sich dennoch stark an. Fast wie Beton an den Füßen. Die Ausflüge ins Gebirge, Besichtigung der Burgen, Schlösser und Museen, die Seefahrten und Stadttouren. Alles schön, jedoch keine Befriedigung der Reiselust.
Alte und neue Kulturen kennenlernen, fremden Sprachen lauschen, die kulinarische Vielfalt erkunden, verschiedenste Lebensweisen erleben und schätzen zu lernen. Nicht in einem völlig umsorgten Paket von all-inclusive, mit höchstem Standart und einem perfekt abgestimmten Rahmenprogramm zu meiner Unterhaltung. Keine Animation, keine Führungen am Rande der touristischen Zone, welche mir den Blick auf das echte Leben der Einheimischen verwehrt. Nicht zu wissen, wo ich morgen sein werde, wen ich treffen oder kennenlernen dürfte. Der Durst nach einem echten Abenteuer, dessen Wesen die Unvorhersehbarkeit ist.
Aber da waren jetzt vier Kinder, das ging doch nicht. Von allen Seiten näherte ich mich dieser mentalen Barriere, Abwägungen über dieZumutbarkeit einer Reise in das Ungewisse, Gedanken an Verantwortungsbewusstsein und Fürsorgepflichten überschatteten das Gestatten dieser Möglichkeit.
Gestatten?
Das Gestatten setzt voraus, das Jemand mit dem Erteilen einer Erlaubnis betraut sein müsste, was gleichermaßen irgendwie den Geschmack vermittelt, dass es verboten oder gar verwerflich sei, mit vier Kindern und einem Kater eine Abenteuerreise zu wagen.
Bedingungen als zierender Rahmen? Eine Reiseroute mit Zwischenzielen, eine Rückholversicherung, eine Reisekrankenversicherung, gute ausländische Kontakte und ein zuverlässiges Vehikel. Einen Ort, an dem wir uns dennoch stets daheim fühlen können, ein wohliges Haus, welches wir mit uns führen. Ein Wohnmobil! Die Unvorhersehbarkeit einzugrenzen, raubt zwar dem Abenteuer ein wenig jenes, was es ausmachen sollte aber den Ansprüchen an das befriedigende Gefühl eines vorhandenen Verantwortungsbewusstseins, sei damit Genüge getan.
Nachdem alle absichernden Maßnahmen getroffen waren, konnte die Reise beginnen. Sie fand vorerst ein Ende im Süden von Albanien. Lockdown! Bizarr! Mehr Unvorhersehbarkeit, mehr Abenteuer geht nicht!
Der Traum lebt weiter!
© Attila Moser 2020-11-24
Kommentare
Jede*r Autor*in freut sich über Feedback! Registriere dich kostenlos,
um einen Kommentar zu hinterlassen.