Das fehlende Komma
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Eigentlich sollte die Geschichte „Freude und Wehmut“ heißen. Bis ich das Komma entdeckte, beziehungsweise nicht entdeckte.
Nach Fertigstellung meines Buches sollte natürlich die Freude im Vordergrund stehen. Ich halte mein Buch in Händen, blättere es durch, verschenke es …
Die Freude stellt sich allerdings immer schon lange davor ein: Ich liebe das Überarbeiten. Darin schwelge ich. Kürzen, umbauen, in der Tiefe schürfen, treffendere Wörter, wesentliche, so lange, bis alles zusammenklingt, sich in die Lüfte schwingt … Ich bin keineswegs perfektionistisch, nein!, das macht mir einfach am meisten Spaß. Ich widme mich dem Großen und dem Kleinen, frage mich: Was willst du WIRKLICH sagen? Hast du die richtige Sprache dafür gefunden? Spielt sie sich gut?
Diese Überarbeitungsfreude kannte ich schon von meinem letzten kleinen Werk. Auch auf die Wehmut war ich vorbereitet: dann, wenn das Buch nach dem letzten Schliff in die Welt entlassen wird. Es ist zuerst einmal ein Abschied. Das Buch und ich, wir haben uns ja gut kennengelernt, ich kenne jede Macke, jede Ecke, jede Kante. Und jedes Komma. Dachte ich zumindest. Bisher.
Bis dann die – zunächst erfreuliche – Nachricht kam: Dein Buch geht morgen in Druck. In Hochstimmung scrolle ich also ein letztes Mal durch den Entwurf, genieße es, wie Texte und Bilder so zueinander gefunden haben. Und da stockt mir der Atem: Eine Gletscherspalte tut sich auf! Leere – hier fehlt ein Komma! Die Zeichensetzerin in mir krümmt sich vor Entsetzen. Meine geliebten Zeichen! Und das auch noch nach all dem peniblen Korrekturlesen, Wort für Wort, Zeichen für Zeichen, Absatz für Absatz, Zusammenhang für Zusammenhang. Und jetzt beim bloßen Überfliegen entdeckt!
Natürlich ist es tröstlich zu wissen, dass ich mich mit so einem Fehler in bester berühmtester Gesellschaft befinde. An dieser Stelle geht ein herzliches Danke an das story.one Team für die unverdrossen unermüdliche Unterstützung.
Und außerdem: So ein fehlendes Komma kann ja leicht übersehen werden, das ist nicht weiter verwunderlich. Schließlich ist es ja ein Nichts. Das auch noch so clever eingebaut war, dass meine noch cleverere Rechtschreibprüfung es wohl für den Ausdruck meiner Kreativität gehalten hat.
Was mich aber wirklich wundert, ist, dass ich sozusagen regelrecht über ein Nichts gestolpert bin. Wer kann mir das physikalisch oder sonst wie wissenschaftlich erklären? Ich bin also auf ein Paradox gestoßen. Das fehlende Komma wird nun zur philosophischen Frage …
Bitte, liebe Menschen, ich weiß, ein fehlendes Komma ist keine Tragödie, katapultiert in keine Krise. Ich wollte lediglich sagen, dass ich leidenschaftlich gern Bücher mache, nun auch die eigenen, nachdem ich jahrzehntelang begeistert Hefte und Büchlein für Klassen und Gruppen zusammengestellt habe.
Und dass ich ein Komma vergessen hatte.
Nachtrag: Es gibt bereits eine überarbeitete Fassung! Die Ohne-Komma-Edition von „Raum für Magie“ ist quasi limitiert :-)
© Brigitte Hieber 2020-11-27
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