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#warten#refugium#immerderselbeweg

Das lange Warten

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Das lange Warten | story.one

Februar 2021

Ich lege nach. Ein großes Buchenscheit wandert in den Schlund des kleinen Holzofens in der niedrigen, engen Küche, unserem Zentrum. Nun bollert er endlich. Das Häuschen friert in seinem alten Gemäuer, wir müssen es von innen her aufwärmen.

„Das Auto springt nicht mehr an.“ Du bringst die Kälte mit herein, bist gleich wieder weg, wirst wieder einmal die Batterie ausbauen und sie beim Nachbarn aufladen.

Obwohl ich im Sommer geboren bin, empfinde ich mich eher als Kind des Winters. Der zeigt uns zurzeit jedoch die frostige Schulter, ist launisch und ungemütlich. Allmählich überkommt mich ein Warten. Eine Erstarrung fast. Und jenes unsägliche Etwas hat seinen Griff noch nicht gelockert. Nie waren die Krähen so schwarz.

Durch alle Widrigkeiten hindurch zieht es uns zu unserem Weg. Anfangs Zuflucht, dann Vorfreude, jetzt Notwendigkeit. Der Wald erwartet uns. Seit Einbruch des Winters nehmen wir den geschützteren moosigen Seitenpfad, überdacht von ausladenden Tannenwedeln. Heimelig ist das. Der Igel nickt uns auch heute zu.

Wie geht Warten? Wir könnten ja zählen. Auf einer Strecke von 76 Metern zählen wir 57 Werke, darunter Kompositionen wie „Der Dirigent“. Sie überdauern. Zumal sich hier niemand durchschlägt außer uns. Nur einmal stoßen wir auf zerwühlte Erde, die Fährte einer Wildschweinrotte.

Bei eisigem Ostwind zerre ich drei lange Stämmchen aus dem Dickicht, lege sie sternförmig übereinander, kürzere Äste kommen in die Zwischenräume. Der „Stern des Wartens“ ist geboren. Du feierst zuversichtlich die „Auferstehung der Birke“.

Jedes Mal, wenn wir nach getanem Werk den Wald verlassen, bleiben wir eine Weile stehen und lassen die Weite auf uns wirken. Haben wir jemals Wetter so bewusst wahrgenommen wie in den letzten Wochen? Wetter im Zeitraffer: Schneestürme, gleißendes Licht, graue Wolkenmauern, gelbe Himmel aus Saharastaub, Föhn, sprudelnde Wiesen, gefrorene Böden und ein Gehen wie auf Cornflakes. Wir fühlen uns den Prozessen in der Natur ungewohnt nahe. Weil es keine Ablenkung gibt, keinen Urlaub, kein Essengehen, keinen Fasching?

Auch heute lasse ich den Blick über die Hochebene schweifen. Ausgedehnte Schneeflächen in arktischer Schönheit. Blau an Blau, Blau am Himmel, Bläue im Schnee. Spuren, gezogen von Skiern und Traktoren, wie Energielinien der Erde, aus dem Verborgenen nach oben projiziert.

Und ich begreife, es gibt kein Warten. Die Erde bereitet sich vor. Ich spüre, welchen Respekt sie uns abverlangt. Sie braucht ihre Zeit. Warum drängen wir sie, wir Menschen?

Zu Hause schüre ich den Ofen. Denke an diesen Satz vor einigen Tagen. „Sie sind zu ungeduldig“, hatte sie zu mir gesagt. Nein.

Ich lege nach. Das Feuer brennt. Draußen am Horizont erscheinen helle Streifen.

© Brigitte Hieber 2021-02-13

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