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#einfotoundseinegeschichte#whatislove#leidenschaft

Raum und Zeit

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Raum und Zeit | story.one

Ein paar Gedanken. Und Fragen. Und ein Wunsch.

Der Raum ist vorgegeben: Eine Seite mit 2500 Zeichen.

Die Zeit ist frei. Die Erzählzeit: Wie lange erzähle ich an der Erzählung? Oder in diesem Fall: Wie lange schreibe ich daran? Ich kann den vorgegebenen Raum in wenigen Minuten füllen. Könnte auch tagelang, wochenlang, monatelang an einem einzigen Text arbeiten. Vielleicht jahrelang, mich immer wieder dran setzen. Manchmal will ich jeden Tag schreiben, einfach so. Und andere Texte gären, brauchen ihre Zeit.

Die Zeit ist frei. Auch die erzählte Zeit: Mit welcher Zeit fülle ich den Raum? Mit wie viel Zeit? Umfasst der Zeitraum, von dem ich erzähle, ein paar Sekunden, ein paar Stunden, Wochen, Monate, viele Jahre, ein ganzes Leben?

Hat der vorgegebene Raum hier Einfluss auf die Erzählzeit, auf die erzählte Zeit?

Offensichtlich nicht. Es ist enorm, was in diesen Raum passt. Wie viel oder wie wenig Zeit hineinpasst. Und immer scheint der Raum genau das richtige Maß zu haben.

Es geht um den Moment, in dem ein Vogel singt. Es geht um Kindheit. Es geht um ein einziges Erlebnis. Es geht um wiederkehrende Ereignisse. Um Besuche und Reisen. Es geht um Leben. Es geht um Sätze, die gesagt wurden. Um Gefühle, die gefühlt wurden. Es geht um Ausschnitte. Um Puzzleteile.

Ich mag die Begrenzung auf den Raum von 2500 Zeichen. Ich mag es, so lange zu streichen, zu kürzen, zu feilen, bis sich das Wesentliche herauskristallisiert. Bis ich sage, jetzt stimmt es, für mich. Gerne auch nur 1000 Zeichen. Der Raum lädt mich auch ein, mich auszudehnen. Und darüber hinaus, mich auszutauschen.

Und jetzt frage ich mich: Wie viele Zeichen umfasst mein Leben? Welche Geschichte wird von mir bleiben? Wird es überhaupt eine Geschichte sein? Wird es eine Sammlung von vielen Geschichten sein? Ein ganzes Buch? Viele Bücher? Wird es nur ein Satz sein, ein Wort?

Ganz unabhängig davon, ob von mir selbst geschrieben oder von anderen über mich erzählt, wie in folgender Erinnerung:

Vor langer Zeit hörte ich, dass jemand über mich sagte: „Als Kind war sie die Mutigste von uns allen.“ Ah, ja? Ich freue mich über diesen Satz, auch wenn ich es selber nie so formuliert hätte, nie daran gedacht hätte, dass mich jemand so sieht. Dass es dieser Satz sein könnte, der nach all den Jahren übrig bleibt.

Genauso gilt:

Wie viele der berühmten Menschen, Künstler, Schreiber hätten damit gerechnet, irgendwann einmal ausgerechnet für diesen einen Satz berühmt zu werden, den wir so gerne zitieren? Zitieren als Quell des Trostes, der Zuversicht, der Wahrheit, der Schönheit. Dabei muss es sich nicht um Sätze von berühmten Menschen handeln, oft sind es Sätze von Menschen aus unserem Umfeld. Von Menschen, die wir lieben oder von denen uns erzählt wird.

Also, wenn ich wählen würde, welcher Satz über mich und von mir bleiben soll, wäre es dieser:

„Sie liebt die Buchenblätter im Winter.“

Vielleicht sogar als Grabinschrift – das muss aber nicht sein.

Der Satz ist schön, gilt im Leben: Mein Leben in 33 Zeichen.

© Brigitte Hieber 2020-06-15

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