Was ist Heimat?
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Ich bin im Ausland und fahre durch das In-Land des Aus-Landes.
Zuerst quer durch das Vor-Land der Alpen, dann durch das Hinter-Land der Städte.
Wann komme ich im Land selbst an?
Wo habe ich die Grenze überschritten?
Die Farbe der Autobahnschilder hat gewechselt, die Uniformen der Bahnbeamten, die Bahnhöfe selbst.
Aber machen Farben ein Land aus? Macht die Sprache ein Land aus?
Man spricht Italienisch, das wird es sein.
Wenn ich die Italiener verstehen würde, würde mir vielleicht so mancher widersprechen. Ich könne doch Römisch nicht mit Neapolitanisch vergleichen, vielleicht …
Also, wo beginnt das Land dieses Aus-Landes?
Seltsamerweise mit dem Moment, da ich mich im Ausland fremd-heimisch fühle.
Mit dem Moment, da das Fremde meine Seele erreicht.
Mit der Musik eines Wortes wie „Montegiove“.
Oder mit dem bis dahin unbekannten Schrei des Pfaus am frühen Morgen, der mich spüren lässt, dass ich nicht allein bin. Dass da Menschen wohnen, ein paar hundert Meter entfernt.
Ich war losgefahren, hatte den heimischen Raum verlassen. Räume, wo man auf mich wartete, wo man erwartete.
Hatte die Heimat verlassen, den Raum der Entfremdung.
Jetzt nehme ich die Fremde an der Hand.
© Brigitte Hieber 2020-06-20
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