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#tod#liebe#veränderung

Regenbogen |

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Regenbogen | | story.one

Es beginnt sanft zu regnen. Ich lehne meinen Kopf an die Fensterscheibe. Das Auto ist erhitzt von der nun hinter den Wolken verschwundenen Sonne. Die Scheibe ist im Kontrast dazu angenehm kühl.

Wassertropfen suchen sich ihre Wege über das Glas. Ruhig und gemächlich.

Mein Freund Davis, der am Steuer sitzt, lächelt schwach. „Tut mir leid, dass ich keine Klimaanlage habe. Ich bin froh, dass ich mir bald ein neues Auto kaufen kann. Bei dieser Schrottkiste habe ich während des Fahrens ständig Angst, dass sie auseinanderfällt.“

Da kann ich nur zustimmen. Doch mein Mund will sich nicht bewegen, um zu antworten. Denn diese Antwort ist überflüssig. Also lasse ich es bleiben.

Wir fahren noch einige Kilometer und ich starre stumm aus dem Fenster. Gespräche sind nun nicht angemessen, und auch das Radio von Davis` Auto hat den Geist aufgegeben.

Ich setze mich aufrecht hin und mein Blick wandert zu Davis. Er bemerkt es sofort.

„Anna... weißt du, es tut mir wirklich leid mit deinem Vater. Die Beerdigung heute muss schwer für dich gewesen sein.“ Ich höre aufmerksam zu. „Nun hast du fast niemanden mehr, zu dem du gehen kannst – zumindest nicht aus deiner Familie. Aber ich hoffe du weißt, dass ich immer zu dir halten werde, egal was passiert. Ich will deine Familie sein.“

Ich lächle ihn dankbar an. Diese Worte müssen ihm sicher schon während der ganzen Fahrt durch den Kopf gegangen sein.

Froh, dass er es nun gesagt hat, stielt er wieder auf die Straße und versucht, seinen alten Wagen neben all den anderen Autos durch den Regen zu lenken. Ruhig und gemächlich. Die Fahrt kommt mir viel zu langsam vor.

Vielleicht wären wir schneller, wenn wir laufen würden. Ich verfolge das Wettrennen der Wassertropfen auf der kühlen Fensterscheibe. Schneller am Ziel des Lebens.

Wir könnten den Wagen stehen lassen. Und mit ihm den Rest unseres Lebens. All die traurigen Momente, die wir in den letzten Tagen durchlebt haben. All die Fehler, die wir bisher begangen haben.

Um dann in ein neues Leben zu laufen. Neu beginnen. Das alte Landhaus, dass nun mir gehört, komplett renovieren. Einfach mal Neues probieren.

Der Regen würde unsere erhitzte Haut kühlen, mit ihr unsere Gedanken reinwaschen, unsere Sinne verfeinern. Wir würden frei sein. Von null anfangen.

Wir könnten, wir würden, wir hätten. Ich sollte aufhören, mir mein Leben so auszumalen, wie ich es gerne hätte. Träumerei bringt mich auch nicht weiter. Ich träume mehr als ich schlafe. Ich sollte aufhören damit, denn Träume sind nicht Wirklichkeit. Träume sind bloß eine mögliche Weiterführung der Wirklichkeit, gemischt mit Fantasie.

© Carmen Aschbacher 2021-08-11

Regenbogenenergie

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