Auf den Dieb ist Verlass
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Das Entsorgen von nicht mehr Gebrauchtem ist in unserem Haus seit Jahren ein stetig wiederkehrendes, leidiges Thema. Und zwar, seit das Dachgeschoß ausgebaut wurde und der fünfte Stock besiedelt ist.
Regelmäßig stapeln sich Pizzakartons und Amazonverpackungen neben dem überquellenden Papiercontainer. Weil schon wieder jemand vergessen hat, ihn auf die Straße zu stellen. Weil er deshalb schon wieder nicht entleert worden ist. Alle paar Wochen gammelt ein McDonaldssackl auf der Stiege, die Pommes zur Hälfte aufgegessen. Regelmäßig liegen angerotzte Papiertaschentücher und zerknitterte Masken auf dem Treppenabsatz. Niemand fühlt sich dafür zuständig. Der Dreck bleibt verlässlich so lange liegen, bis ich ihn mit spitzen Fingern zur Mülltonne trage.
Dafür verschwinden Dinge, deren Entsorgung niemand gewünscht hat. Ein Paket von shöpping.at, das der Postbote auf dem Briefkasten abgestellt hat. Die Bierkiste, die ein Nachbar hinter der Haustür zwischengelagert hat, um sie am nächsten Tag mit frischen Kräften in den vierten Stock zu tragen. Ein Orangenbäumchen, das den Winter unbedroht von Frost vor einer Wohnungstür verbringen wollte. Die ihres Besitzes unfreiwillig Entsorgten hängen dann verärgerte oder bittende Mitteilungen mit Magneten an den Verteilerkasten. Dass das wirkungslos ist, darauf ist Verlass. Die zugestellte Frühjahrsjacke, die biologisch gebrauten Biere, die Blüten treibende Pflanze bleiben verschollen.
Deshalb greife ich die Idee auf, die mir ein kleiner Spötter zuflüstert. In meiner Wohnung fällt ja auch immer wieder etwas an, das in keinen Restmüllkübel passt. So etwa die Mokkamaschine, die ich nicht mehr brauche, weil mir das Christkind eine edelstahlglänzende beschert hat. Eine, die nicht tropft. Oder das Gebläse der Therme, dessen Entsorgung Herr Reparateur großzügig mir überlassen hat. Ich stopfe die tropfende Altkanne in den Karton mit dem Bild der strahlenden Original-Bialetti und stelle ihn vor meine Wohnungstür. Unter die tönerne Sonne, die ich zum Geheimversteck für meinen Reserveschlüssel auserkoren habe. Er klebt auf ihrer Hinterseite und hat mir schon ein paar Mal den teuren Schlüsseldienst erspart.
Kaum zwei Tage später muss ich mir um die Entsorgung der Metallkanne keine Sorgen mehr machen. Karton und Inhalt haben Beine bekommen. Ich freue mich diebisch. Besonders, wenn ich an die Lacke denke, die sich beim ersten Kaffee-Einschenken im neuen Haushalt ausbreiten wird.
Doch gestern war auch meine Sonne aus Elba weg. Das freundliche, Italianità ausstrahlende Souvenir eines lang vergangenen Urlaubs. Das Gesicht, das jedem Besuch zulächelt, egal welche Absichten er hat. Auch diebischen Elstern.
Die in unserem Haus hat zwar regelmäßig schlechte Absichten, aber auch Anstand. Heute Früh lag der Schlüssel vor meiner Tür. Auf dem Rücken der Sonne.
© Christine Mayr 2022-02-07
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