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Autobiograffl

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Autobiograffl | story.one

Für gute Geschichten war er immer schon gut. Für sonst nicht viel. Außer für das Zusperren der Haustür. Das konnte er. Zweimal drehte er den Schlüssel im unteren Schloss, dreimal im oberen. Dann waren sie sicher. Er und sie. Im gemeinsamen Haus. Sie lachte und als sie endlich Zeit hatte, schrieb sie eine Geschichte. Über den Don Bartolo ihres Lebens. Der die Haustür fünfmal sichert.

Ihn juckte das nicht. Andere Alte malen Bilder oder backen Kuchen. Sie kritzelt halt. Er ließ sie gewähren, hat sie wenigstens eine Aufgabe. Soll sie das Gekritzel auch posten. Liest eh keine Sau. Und wenn, dann eine aus einem fernen Stall.

Aus den Geschichten wurden Bücher. Erst eines, dann zwei, dann traf er die Lesesau vom Nachbarhof. Ich hab’s gelesen, lachte die. Sehr lustig, der Don Bartolo. Das bist unverkennbar du.

Das juckte ihn dann doch. Ihm schwoll der Kamm. Er fletschte die Zähne, fuhr seine Krallen aus. Rannte nach Hause. Wer hat dir die Erlaubnis gegeben? Über mich zu schreiben!

Aber die Geschichte ist doch gut, nicht?

Darum geht es nicht. Du hast kein Recht! Über mich zu schreiben. Jetzt weiß die ganze Welt! Dass ich die Haustür ... Das geht niemanden, niemanden etwas an!

Ich habe nicht gewusst. Dass du da so empfindlich bist. Ich fand einfach die Geschichte gut.

Die Geschichte, die Geschichte! Eine Geschichte ist dir wichtiger als meine Gefühle. Du trittst mein Privatleben breit. Mit deiner blöden Schreiberei. Warum engagierst du dich nicht für die Umwelt oder Flüchtlinge? So wie das andere Pensionistinnen machen.

Ich schreibe so gern. Und ich kann es.

Ich, ich, ich! Bei dir geht es immer nur um dich. Wenn du unbedingt eine auf Schriftstellerin machen musst, dann erfinde etwas. Wie ein richtiger Schriftsteller. Der muss keine echten Menschen missbrauchen. Hör mit dem autobiografischen Graffl auf.

In ihre Nase stieg ein Geruch. Doch sie lenkte ein. Versprach es ihm. Nie mehr ein geschriebenes Wort über ihn.

Und ich will, dass diese Geschichte verschwindet. Aus dem Netz und aus den Buchhandlungen.

Der Geruch wurde stärker. Erinnerte sie an etwas.

Wenn ich die Geschichte noch einmal irgendwo finde, verklage ich dich.

Nun wusste sie, woran sie der Geruch erinnerte.

Sie löschte das Posting und sammelte die Bücher ein. Viele waren es nicht. Zwei bei der Trafikantin am Eck, drei in der Buchhandlung ihres Vertrauens. Da, sagte sie, und warf sie ihm vor die Füße. Im Garten steht eine Feuerschale.

Während er nach den Zündhölzern suchte, nahm sie den Hausschlüssel aus seiner Manteltasche und steckte ihn ein.

Er ging in den Garten, pfiff ein Liedchen. Holte den Kanister aus dem Schuppen, legte die Bücher in die Feuerschale. Träufelte Benzin darauf und strich ein Streichholz an. Zufrieden warf er es auf den Haufen. Das Liedchen wurde munterer, die Flammen fraßen sich in die bedruckten Seiten.

Sie machte die Haustür hinter sich zu und sperrte den Geruch aus. Den Schlüssel drehte sie fünfmal im Schloss. Den Schlüssel ihres zukünftigen Ex.

Foto: Cullan Smith

© Christine Mayr 2023-02-18

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