Der Parship-Moment
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„So wirst du nie einen finden“, sagte meine Tochter zu mir, „wenn du immer daheim herumsitzt oder allein auf die Berge schuachst. Heutzutage macht man das mit Parship.“ Also gestaltete ich mir ein Profil. Das Kind schoss brauchbare Fotos, ich wählte die Infos über mich sorgfältig aus. Ich beantwortete fast alle Fragen, die das Formular für Beziehungsanwärterinnen bereithält und war nach einer Woche Arbeit zufrieden. Ich schickte mein Profil in die virtuelle Männerwelt und wartete.
Jeden Abend öffnete ich meinen Account und hoffte. Auf einen interessanten Partnervorschlag, auf eine Nachricht. Ich blätterte durch die Profile, die mir Parship vorschlug und schickte dem einen und anderen mit Humor und ansprechendem Foto ein Lächeln. Als Einzugsbereich hatte ich 150 Kilometer rund um Innsbruck eingestellt und im Laufe der Monate lernte ich, vom flüchtigen Durchlesen der Selbstbeschreibungen auf die Gegend zu schließen, in der Mann zuhause ist. Die Bayern schlugen für das erste Date einen Biergarten vor, bei den Italienern war schnell das Wort „sesso“ bei der Hand und die Langweiligen waren fast immer aus Tirol.
Nach ein paar Wochen hörte ich auf, abendlich in meinen Account zu schauen, nach einem Dreivierteljahr verschickte ich keine Smileys mehr. Sie hatten genau dreimal eine Antwort bekommen: „Ich habe mich verliebt und wünsche dir dasselbe“. Von sich aus angeschrieben hatte mich keiner. In Worten: keiner. Also kündigte ich mein Parship-Abo und fuhr in die Berge, um die Enttäuschung wegzuwandern und mich mit einem Schnitzel zu trösten.
Wie üblich war ich weit und breit die einzige, die an einem wolkenverhangenen Dienstagvormittag ihren schwerfälligen Körper durch den Wald schob. Nur ein Leichtfüßiger überholte mich, Typ Tiroler Gämse. Wir grüßten einander und gingen jeder seinen Weg.
Plötzlich blieb er stehen und wartete, bis ich in Gesprächsnähe war. „Gehst mit mir auf die Tribulaunhütte?“, fragte er. Ich musste lachen. „Nein“, sagte ich, „ich geh nur bis zum Schnitzel in Feuerstein“. „Ja, die sind gut dort“, sagte er und blieb beim Weitergehen an meiner Seite. Was ist das jetzt?, fragte ich mich. Aber weil er etwas Nettes an sich hatte und sich meinem trächtige-Kuh-Tempo anpasste, entschied ich mich für Nehmen-was-zu kriegen-ist. Konversation, in diesem Fall. „Weißt“, sagte ich, „ein bisschen neidisch bin ich schon. Ich würd auch gern amal wieder eine ordentliche Bergtour machen, aber es geht nimmer“. „Neid ist ganz das Falsche“, sagte er. „Du musst einfach tun, was du gern tust. Vergiss den Neid und lass dir dein Schnitzel schmecken.“ „So ein kluger Mann“, sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter.
Kurz vor meinem Schnitzelwirt meinte er dann: „Ich pack’s jetzt. Einen schönen Tag noch. Ich sag dem Wirt, dass er dir ein besonders schönes Schnitzel machen soll“. Und weg war er. Zurück ließ er eine Riesenportion guter Laune und einen Häfen Versöhntheit mit der Welt der Parship-Momente.
© Christine Mayr 2020-07-27
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