Dialog mit Doktor Darminspektor
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Das Gerülpse, Gefurze, Geschmerze und sonstige Gemotze meines Verdauungstrakts hat mir voriges Jahr eine Reihe von Verboten eingebrockt. Du sollst nichts Herausgebackenes essen (schade um das Wiener Schnitzel, aber mei), du sollst das Gemüse gekocht verzehren, nicht roh (eine der leichteren Übungen), du sollst Fette weiträumig umgehen (was mir auch die Waage danken würde), du sollst keinen Kaffee trinken (darf ich überhaupt noch irgendetwas, das gut schmeckt??), du sollst nicht rauchen (eh klar; das sagen sie immer).
Daran hielt ich mich – mehr (wenn die Schmerzen groß waren) oder weniger (wenn das Brot ohne Butter einfach zu trocken war). Fragte dann aber doch Doktor Darminspektor um seinen Rat, als ich eh schon bei ihm war. Er hatte meine Wehwehchen der ungustiösen Art erfolgreich behandelt und wollte mich „nur einmal noch sehen“, zur Kontrolle, vor Weihnachten.
Der Feschak aus dem Zillertal, der immer aussieht, als hätte er nur kurz eine Schitour unterbrochen, um schnell einmal nach seiner Praxis zu schauen, war mir noch nie durch medizinische Originalität aufgefallen. Für gewöhnlich hatte ich seine Ordination mit einer langen Liste pharmazeutischer Produktempfehlungen verlassen. Als ich die Gastritis erwähnte, meinte er deshalb äußerst vorhersehbar: „Ich kann dir etwas aufschreiben, wenn du möchtest.“ (Das Du, mit dem er seine Patientinnen und Patienten anredet, hat er nicht aus Amerika mitgebracht, sagt er. Vielleicht aber den folgenden Diätratschlag. Denn der dürfte in der Heimat des Darmdoktors so wenig heimisch sein wie das Sie.)
„Ja, vielleicht“, sagte ich. „Aber sag mir vorher, was du von meiner Hausmitteltherapie hältst. Haferflockensuppe.“
„Bestens“, sagte er, „allerbestens. Das Gel, das ich dir verschrieben hätte, ist eh nichts anderes als Haferschleim. Nur in Briefchen verpackt, die zwanzig Euro kosten. Um dieses Geld kannst du mit deiner Suppe eine ganze Schützenkompanie kurieren.“
„Bestens“, sagte ich, „dann bleib ich beim Selberkochen.“
„Mach das. Der Haferschleim kleidet die Magenwand aus, das tut gut. Vanille übrigens auch. Vanille ist das älteste Mittel gegen Gastritis, das wir kennen. Vanille in einem mürben Teig. Oder Vanillepudding. Ein Schüsselchen als Nachspeise, ab und zu.“
„Das heißt, ich darf Vanillekipferln essen“, sagte ich, höchst erfreut, nach all den Ess- und Trinkverboten. Denn dieses von vielen verschmähte Gebäck steht ganz oben auf meiner was-ich-zu-Weihnachten-gern-nasche-Liste.
„Jetzt habe ich dir Weihnachten gerettet, gelt?“, grinste er und entließ mich. Mit den besten Wünschen für schöne Feiertage.
Die dann doch nicht ganz so schön waren. Ob es an der Butter oder am Staubzucker lag, habe ich nicht herausgefunden. Jedenfalls zwickte mein Magen, ganz gleich, wie viele Vanillekipferln ich aß.
© Christine Mayr 2020-10-28
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