Er zieht mich an
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Es ist heiß, saharaheiß. Ich ziehe das dünnste und kürzeste Kleidchen an, das mein Kasten bietet. Der Wagen ist zurückzugeben. Der Wagen, den mir der Pannendienst gestern geliehen hat, nachdem mein eigener auf der Autobahn nur mehr 30 fahren mochte. Warnblinkend habe ich ihn auf den Pannenstreifen gelenkt und die Autorettung angerufen. „Den magst stehen lassen, der braucht eine Werkstatt“, hat der Techniker gesagt und meinen Schlüssel genommen.
Und nun ist das Ersatz-Teil in der prallen Sonne gestanden, das Leder des Fahrersitzes glüht auf meinen Beinen. Vielleicht wäre der knielange Rock doch die bessere Idee gewesen. Ich drehe den Zündschlüssel – kein Mucks. Ich nehme den Gang heraus und den Fuß von der Kupplung und versuche es noch einmal. Nichts. Das Auto macht gerade einmal diesen abgewürgten Rülpser, den ich vom Winter kenne, wenn die Batterie leergefroren ist. Einmal versuch ich’s noch. Ein Nachbar spaziert vorbei und sagt etwas. Ich verstehe ihn nicht, die Fenster gehen ja nicht auf, ohne Strom. Ich steige also aus und ziehe meinen Kleidersaum hinunter, Richtung Knie. Schon verdammt kurz, das Ding. „Springt nicht an, hm?“, sagt Meister Blitzgneißer. „Da brauchst Starthilfe. Hitze macht mit Batterien das gleiche wie Kälte.“ Aha.
Die Frau am Pannendiensttelefon gluckst. „Sie haben also unseren Leihwagen auch kaputt gemacht? Schlechtes Autokarma, was? Ich schick Ihnen wen. Wo stehen’S denn?“
„Er springt also nicht an“, sagt der gelbe Engel und mustert mich, nicht das Auto. Wahrscheinlich denkt er sich was von Frauen und Technik oder so. „Gib mir mal den Schlüssel.“ „Der steckt“, sage ich und streiche vergeblich meinen kurzen Rock lang.
Das Auto ist so nett, mir keine Blöße zu geben und springt auch in den Mechanikerhänden nicht an. „Na gut“, sagt Helfer Gelb, „dann zieh ich dich jetzt an.“
„Du ziehst mich an?“, sage ich und versuche mir vorzustellen, wie das geht. „Du setzt dich hinein und ich ziehe dich an.“ Macht mich auch nicht klüger. „Gang raus. Und wenn wir in Fahrt sind, die Kupplung treten und den zweiten Gang hinein. Kupplung langsam auslassen.“ Aha. Und wo ist jetzt der Anziehteil des Ganzen? „Wenn er angesprungen ist, bleibe ich stehen und du schaust, dass er nicht abstirbt.“
Gut. Zuerst schaue ich aber, was Herr Anzieher macht. Er holt ein Abschleppseil aus dem Auto. Heißt das neuerdings Anziehseil? Männersprache? Expertendeutsch? Ich tue, was Mann mir gesagt hat und das Auto tut, was man von ihm erwartet: Es springt an.
„Du fährst jetzt zum Verkehrsklub und tankst vorher bei der Tankstelle daneben. Bei laufendem Motor. Ciao und gute Fahrt.“
„Ach, du bist die, die jeden Tag einen Wagen kaputt macht“, sagt Herr Automobilklub am Tresen. „Lass mich schauen, was du sonst noch angerichtet hast.“ Sein Blick prüft Lackintaktheit und Reifenzustand. Dann setzt er sich ans Steuer und startet den Motor. Der surrt wie ein frisch gewickelter und sauber angezogener Säugling.
© Christine Mayr 2020-09-27
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