Hiobs Tochter
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Und die Teufel rotteten sich zusammen. „Die eine da oben, in ihrer satten Welt, in ihrem Reichtum und Frieden, die mögen wir nicht. Die eine, die da meint, sie hätte noch mehr verdient. Erfolg und Glück. Die eine, die meint, sie könnte Bücher und Geschichten schreiben und sich einen Platz in der Welt erobern. Der müssen die Flügel gestutzt werden.“
Und so tanzten die Teufel oben bei den Göttern an, hieben ihre Dreizacke in den Wolkenboden und schnaubten: „Schickt der Irdischen da unten ein paar Plagen, sonst meint die noch, sie könnte aus ihrem Talent etwas machen und erfolgreich sein. Das wollen wir nicht. Die soll klein und bescheiden und unauffällig durchs Leben kriechen, das war unsere Bedingung für ihre Geburt.“
Und die Götter hielten Rat. Sie steckten ihre Köpfe voll ewiger Weisheit zusammen und nickten am Ende mit ihren langen Bärten. „Wir wollen die von euch Auserwählte prüfen“, donnerten sie und sandten den Boten Blitz zur Erde.
Sie tunkten die Seele der Braven in tiefstes Schwarz, ließen ihrem Mann eine Andere gefallen, füllten die Herzen ihrer Kinder mit Hass und vernebelten ihren Kopf. Als das immer noch nicht genug war und die Geduldige immer noch an ihrem Glauben festhielt, träufelten sie Gift in die Wörter ihrer Freundinnen und piesackten ihren Körper mit glühenden Schmerzen.
Und die Geschlagene jammerte, weinte, fluchte, tobte. Aber von ihrem Glauben fiel sie nicht ab. „Ihr missgünstigen Götter!“, schrie sie gen Himmel, „ihr habt mir ein Talent gegeben, das nutze ich! Ich schreibe mein Buch und ich veröffentliche es auch. Ihr habt mir einen Kopf gegeben, den wende ich an. Ihr habt mir Kraft gegeben und Herzensverstand, Ausdauer und Weggefährten. Ich werde nicht mehr gebückt durchs Leben kriechen, ich werde aufrecht gehen. Ich werde das Schwarz meiner Seele golden tünchen, ich werde den Hass nicht erwidern, ich werde den Untreuen vergessen, ich werde meine Einsamkeit mit Freude füllen.“
Und die Göttinnen, die sich lange Zeit die Ohren zugehalten, die Augen verbunden und den Mund verklebt hatten, zogen ihre strahlendsten Gewänder an, schmückten ihre Arme mit silbernen Reifen, lösten ihre Haare, die lockend bis zu den Hüften fielen, entblößten ihre Herzen und umgarnten die Götter. „Ihr Allmächtigen, Allgütigen, Allwissenden“, schmeichelten sie, „lasst es gut sein. Beendet die Qualen dieser standhaften Seele. Sie ist von ihrem Glauben nicht abgefallen, sie hat die Talente, die ihr ihr gegeben habt, nicht vergraben, sondern vermehrt.“
Sie schmiegten sich seiden an die Körper der Götter, erfreuten deren Nasen mit Wohlgerüchen und versprachen tausend und eine Wonnen der Nacht.
Und die Götter ließen es gut sein. „Wir haben dir ein Talent gegeben und du hast es gefunden, Suchende“, schrieben sie der Botin Taube ins Gefieder. „Vermehre es, denn die Saat, die Wir gesät haben, soll aufgehen und nicht der Teufel Beute sein.“
Und wenn sie nicht gestorben ist, dann schreibt sie heute noch.
© Christine Mayr 2022-05-22
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