Karneval der Kinder
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„Mam!!“ Sebi ist total aufgeregt. „Im Kindergarten gibt’s ein Faschingsfest! Wir dürfen uns verkleiden. Ich möchte als Piefke gehen!“ – „Du meinst, als Wikinger?“ – „Nein“, sagt Sebi trotzig. „Als Piefke.“ – „Wie stellst du dir einen Piefke vor?“ Rosi wäre lieber, er hätte Wikinger gesagt. Die sind schon lange tot, da muss man nicht fürchten, dass sich einer auf den Schlips getreten fühlt.
„Also“, sagt Sebi. „Erstens sind die Piefkes ganz blond. Dann haben sie weite Hosen an, die bei den Knien aufhören. Und Sandalen. Über dem Leiberl hängt eine Fotomaschine, so wie der Opa eine gehabt hat. Auf dem Kopf hat ein Piefke eine Mütze mit Dach.“ Seine Vorstellung ist präzise, dass muss ihm Rosi lassen. Aber ein komisches Gefühl hat sie schon bei der Sache.
„Wann ist denn das Faschingsfest?“ – „Am Unsinnigen. Ist das bald?“ – „Nicht ganz bald. In drei Wochen. Da musst du noch einundzwanzig Mal schlafen vorher.“ Sebi runzelt die Stirn. Die Zahl ist zu groß für sein kleines Alter. „Wie oft ist das?“ Rosi zeigt es ihm, indem sie dreimal sieben Finger ausstreckt. Sebi ist enttäuscht. „So oft?“ – „Ja. Aber das ist gut so, denn wir brauchen ja Zeit, um dein Kostüm zu schneidern.“
Rosi findet alte Bermudas und leiht sich Gesundheitssandalen aus. Dann sucht sie in der Kiste mit den Weihnachtssachen das Stirnband mit den goldenen Löckchen. Das näht sie in eine Baseballmütze ein. Sebi ist begeistert. Was für ein schöner Piefke er ist!
Am Morgen des Unsinnigen schlurft er wohlgemut in den Kindergarten, die alte Kamera seines Großvaters hüpft auf seinem Bauch und er trällert ein Liedchen. „Lustig, lustig, trala-lala-la, heut ist unsinniger Fasching da, heut ist unsinniger Fasching da.“
Als er nach Hause kommt, ist seine Stimmung nicht mehr so lustig. Er schluchzt. „Was ist denn los?“, fragt Rosi. „Die haben gesagt, mein Kostüm ist dis… kimierend. Was heißt ‘n das, Mam?“ – „Das heißt, dass du dich über jemanden lustig machst, der sich nicht wehren kann.“ Rosi drückt sein verweintes Gesicht an ihren Kaftan. „Vielleicht wärst du doch besser als Wikinger gegangen.“ – „Aber ich war ein so schöner Piefke. Die anderen waren alle ganz neidig.“ – „Als was waren die denn verkleidet?“ – „Die Evi war als Queen verkleidet. Sie wär aber viel lieber als Indianerin gegangen. Aber das hat sie nicht dürfen.“
„Weißt du was, Sebi?“, sagt Rosi und wischt ihm die verronnene Schminke aus dem Gesicht. „Ich habe im Dachboden noch ein Indianerkostüm, von früher. Du gehst jetzt rüber zur Evi und fragst sie, ob sie zu uns kommen mag. Dann könnt ihr beiden den ganzen Nachmittag Piefke und Indianerin spielen. Okay?“
„Super, Mam! Ich lauf gleich rüber.“
„Moment!“, sagt Rosi. „Horch zu. Ihr dürft das niemandem erzählen, niemandem. Und ihr dürft nur im Haus spielen, damit euch keines sieht.“
Evi schlüpft lachend in den Juteanzug, setzt sich die Federkrone auf und Rosi schließt die Jalousien. Es ist der Beginn eines schönen Faschingsnachmittags.
Foto: Ryan Wallace on Unsplash.com
© Christine Mayr 2023-02-04
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