Katze im Sack
- 70

Eines Tages kauften die Schildbürgerinnen der fahrenden Händlerin eine Katze ab. Die Mäuse hatten es sich in ihren Sockenladen viel zu gemütlich gemacht und fraßen ihnen das Getreide im Speicher weg. „Diese Katze hat Mäuse zum Fressen gern“, versicherte die Händlerin den Käuferinnen. Die waren es zufrieden und belohnten sie fürstlich.
Nach ein paar Tagen bemerkten sie jedoch, dass sie die Katze im Sack gekauft hatten. Das faule Tier schlief sechzehn Stunden am Tag, verputzte die Gustostückerln, die ihr der Ochsenwirt heimlich zusteckte und leckte sich dann die Pfoten, bis es wieder Zeit zum Schlafen war. „Wahrscheinlich hat sie Liebeskummer“, mutmaßte die Schweinehirtin. „Wir sollten ihr einen Kater besorgen.“
„Das ist es!“, riefen die Schildbürgerinnen und berieten sich, wie sie zu einem Kater kommen könnten. „Wir fragen die Händlerin“, schlug die Schmiedin vor. „Welch guter Einfall!“, befanden die Rätinnen und gingen wieder ihren Arbeiten nach. Doch Woche um Woche verging und die Händlerin kam nicht wieder. Seit sie Schilda die Katze im Sack verkauft hatte, machte sie ihre Geschäfte lieber in anderen Ortschaften.
„Wir sollten uns im Rathaus versammeln“, meinte die Schulmeisterin, „vielleicht geht uns dort ein Licht auf.“ Die Rätinnen setzten sich in ihr dreieckiges Rathaus, doch die erhellende Idee kam ihnen nicht. Wohl weil sie vergessen hatten, Fenster einzubauen. Also setzten sie ihre Beratung in der Stube der Ochsenwirtin fort. Die servierte ein Glas Schaumwein nach dem anderen und die Schildbürgerinnen fischten die Perlen aus den Gläsern, bevor sie sie leerten. Als das Weinfass leer war, torkelten sie in ihre Häuser zurück.
Am nächsten Morgen beschlug die Schmiedin die Eselshufe verkehrt herum, die Bäckerin flocht den Teig zu Zöpfen statt zu Brezen und das Schneiderlein fand seine Tapferkeit nicht mehr. Als sich eine Fliege zu ihm in die Werkstatt verirrte, begann es vor Angst zu zittern und rief Doctorine Gutleben zu Hilfe. „Ich brauche ein Pulver gegen die Angst“, stammelte es. Doch Doctorine Gutleben schüttelte ihr weises Haupt. „Nein. Du hast nur einen Kater.“
Das Schneiderlein riss die Augen auf, sprang aus seinem Schneidersitz hoch und lief auf den Markt. „Ich habe einen Kater, ich habe einen Kater!“, rief es und die Marktfrauen jubelten entzückt. Sie gingen geschlossen zur Ochsenwirtin, um die frohe Botschaft zu begießen. „Prost!“, riefen sie sich zu, nachdem sie die Perlen aus ihrem Schaumwein gefischt hatten, „auf den Kater!“
Auch der Katze war nach Feiern zumute. Sie hatte sich in die Burg der Fürstin geschlichen und sie bernsteinfarben angeschaut. Der war darob schnurrwarm ums Herz geworden und sie ließ dem schönen Tier Gourmethäppchen in Goldschale servieren. Die Katze leckte sich alle Haare auf ihren Pfoten und verließ die Burg nie wieder.
Von nun an tanzten die Mäuse in Schilda alle Tage auf den Tischen der Ochsenwirtin und feierten Kirtag.
© Christine Mayr 2022-07-13
Kommentare
Jede*r Autor*in freut sich über Feedback! Registriere dich kostenlos,
um einen Kommentar zu hinterlassen.