skip to main content

#liebesleben

(K)ein Händchen für Männer

  • 85
(K)ein Händchen für Männer | story.one

„Wie geht’s der Liebe?“, frage ich. „Prächtig“, sagt sie. „Ich habe einen Neuen kennen gelernt.“

Wie?? Was?? „Was ist denn aus dem … Dings … geworden, dem Berliner?“

„Ach, von dem habe ich mich getrennt. Immer die Fahrerei.“

Wie macht sie das nur? Hm, heiliger Antonius? Wo nimmt sie immer die Männer her? Sie ist doch auch schon in dem Alter, in dem uns die Statistik eher einen Tiger auf dem Fußabstreifer als einen Mann an der Bettkante prophezeit. Was hat sie, das ich nicht habe?

Sie hat immer schon, seit ich sie kenne, das bessere Händchen für Männer gehabt. An jedem Finger ihrer Hand einen, manchmal gleichzeitig. Während ich mein Haushaltsgeld in Kerzen und Duftwerk investiere, um den Heiligen meines Vertrauens dazu zu bringen, bei Amor ein gutes Wort für mich einzulegen.

Kaum habe ich mich an einen Namen gewöhnt und frage nach, wie es ihr mit Leo/Ernst/Michael geht, sagt sie bestens gelaunt: „Ich habe ihn verlassen. Er war mir zu kühl/ehrgeizig/unsportlich.“ Oder eben: zu weit weg. Wenn ich dann bei unserem nächsten Treffen frage, „was gibt es Neues an der Männerfront?“, dann ist da wieder ein Kletterer/Konzertgeher/Kunstliebhaber, mit dem sie Berge erklimmt/Vernissagen besucht/eine Kreuzfahrt macht.

Neulich haben wir zufällig das Gleiche getan: einen angeschrieben. Nur so. Ohne Hintergedanken. Der ihre hatte ein Interview in der Zeitung, der meine einen Leserbrief. „Stell dir vor“, hat sie gesagt, „ich habe das Gefühl gehabt, das Interview wäre von mir. Genau solche Dinge wie er könnte ich auch sagen. Ein Seelenverwandter!“ Ich weiß genau, wovon sie spricht. Mir ist es ganz ähnlich ergangen. Der denkt ja wie ich! Der hat den gleichen Humor!

Beide haben wir, unabhängig voneinander, das Gleiche getan: die Namen gegoogelt. Es waren keine Allerweltsnamen, deshalb fanden wir. Und schrieben an unsere Brüder im Geiste. „Habe mich über deinen Text gefreut, ich sehe die Sache auch so.“ Oder so ähnlich. Ein paar freundliche Floskeln drumherum arrangiert, darüber geschlafen, noch einmal durchgelesen, abgeschickt. Ein paar Tage später bekam ich ein „Danke, das freut mich“ zurück.

„Stell dir vor“, sagt sie, „er hat zurückgeschrieben! Ausführlich und fragend, interessiert und charmant. Wir haben eine Weile hin- und hergemailt und telefoniert. Heute Abend kommt er zu mir und wir beschnuppern uns ohne Technik dazwischen.“

Nun sag mir, Antonius, wie macht sie das? Was hat sie, das ich nicht habe? Ich zünde Teelichter für dich an, lasse indisches Duftzeugs einfliegen, bitte und bettle. Falle vor dir auf die Knie, serviere sogar Weihrauch, wenn du deine katholischen Tage hast. Und? Nichts.

„Du stellst die Frage falsch“, belehrt mich Antonius. „Es geht nicht darum, was sie HAT. Es geht darum, was sie NICHT hat.“

„Ja?“

„Schwielen an den Knien“, sagt er. „Vom Bitten und Betteln.“

© Christine Mayr 2021-06-29

Kommentare

Gehöre zu den Ersten, die die Geschichte kommentieren

Jede*r Autor*in freut sich über Feedback! Registriere dich kostenlos,
um einen Kommentar zu hinterlassen.