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#1sommer1buchtirol

Unliebsame Post

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Unliebsame Post | story.one

Schon wieder ein Bettelbrief in meinem Postfach. Wie viele Organisationen gibt es denn noch, die meine Spende wollen? Und sie begnügen sich ja nicht mehr damit, Briefe zu schreiben, sondern stopfen ungebetene Geschenke ins Kuvert. Besonders die Kugelschreiber habe ich gefressen, denn sie bringen mein Wegwerf-Ich in Konflikt mit dem Öko-Ich. Einen Werbebrief mit Kugelschreiber – ungeöffnet ins Altpapier? Oder aufmachen, Papier und Kuli getrennt entsorgen? Ganz schön viel Aufwand für eine Sendung, die ich nie bestellt habe.

Heute dazu keine Lust. Ich will mich endlich von diesen unliebsamen bitte-bitte-spende-uns-was-Zuschriften befreien. Wenigstens von dieser einen. Return to sender – vielleicht kapieren sie es dann.

Trifft sich gut, ich muss eh einkaufen gehen. Also rauf in die Wohnung, Geldtasche holen und mit dickem Filzstift groß und fett „Zurück an Absender“ auf das Kuvert geschrieben und ab. Vorher noch schnell aufs Klo.

Privilegiert wie ich wohne, habe ich einen Briefkasten ums Eck. Den fast schon paketdicken Brief in den Schlitz geschoben, Erleichterung. Ein lästiger Bettelbrief weniger, in Zukunft. Hoffe ich.

Beim MPreis der gewohnte Griff in die Popschtasche meiner Hose, eine Münze für den Einkaufswagen herausfischen. Nur – da ist keine Geldtasche. In den Jackentaschen auch nicht. Wo, verdammt, ist das Teil geblieben? Ich hatte doch Brief und Brieftasche in der Hand, in der linken. Habe ich beides …? In den Briefkasten geworfen?? Oh nein!! – Oh ja! Anders ist es nicht zu erklären. Ich erinnere mich genau, ich hatte sie in der Hand, die Geldbörse. Verdammt. Und jetzt?

Privilegiert wie ich wohne, habe ich auch eine Postfiliale ums Eck. Da gehe ich hin. Vielleicht können sie mir dort … Der Briefkasten wird ja erst um 17 Uhr geleert.

Leider, nein, sagt mir die dottergelb gekleidete Frau, sie könne da gar nichts machen. Der Briefkasten gehe die Postfiliale gar nichts an. Da muss man warten, bis er geleert wurde und dann, wenn ich Glück habe und ein ehrlicher Finder … Ich solle ein Mail schreiben, ans Postverteilerzentrum, die Adresse wäre folgende.

Nun denn, zurück nach Hause, Computer hochfahren. Die Aufregung hat sich auf die Blase geschlagen, ich muss schon wieder. Während sich der Computer dehnt und streckt, um aus seinem Schlaf zu erwachen und mir kommunikationstechnisch zur Verfügung zu stehen, knöpfe ich mir die Hose auf und setzt mich auf die Klobrille. Erledige das Geschäftchen, Hose wieder rauf, umdrehen und Spülung bedienen. Und was liegt da, zwischen Klomuschel und Wand? Genau.

Wenigstens eine Organisation hat mich jetzt der Frage entbunden, ob ich ihr unliebsames Kuvert ungeöffnet und ungesehen in den Altpapiercontainer werfe oder Kuli und Papier getrennt entsorgen soll.








© Christine Mayr 2020-09-01

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