Unser Bruder Mühlbach
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Eine Bürgerinitiative, eine kleine Stadt im Kärntner Bergland, ein jahrhundertealter Mühlbach. Darum geht's.
Hermagor, die kleinste Bezirkshauptstadt Kärntens, ist mein Heimatort. Wie viele Gailtaler, musste ich nach der Reifeprüfung fort, der Ausbildung wegen.
Ich bin heimatverbunden. Der Natur fühle ich mich mehr verbunden als den Menschen. Als Einzelkind weiß ich, was Einsamkeit ist. Mit der Natur war ich auf Du. Der Mühlbach, der an unserem Haus vorbeirauschte, war wie ein Bruder für mich.
Vor einigen Jahren fiel mir auf, dass der Mühlbach deutlich weniger Wasser führt. Meine Mutter erzählte mir, dass es eine Bürgerinitiative gibt, die sich der Sache widmet. Gemeinsam nahmen wir an Versammlungen teil. Allmählich begann sich für mich zusammenzureimen, was geschehen war.
Das erste Stückchen des Baches war samt dem umgebenden Areal einem Mann übereignet worden, der an der Wehranlage, an der der Mühlbach vom Gösseringfluss abgezweigt wird, ein Kleinkraftwerk errichten wollte. Die Republik Österreich, vertreten durch den Kärntner Landeshauptmann, hatte ihm, wie allmählich zutage kam, das Grundstück abgetreten. Unrichtige Behauptungen in Stellungnahmen und Gutachten sowie Ungereimtheiten liegen diesem Verwaltungsakt zugrunde.
Leider zeigte sich, dass der Projektbetreiber keinesfalls kooperativ war. Im Gegenteil verhielt er sich beleidigend und schikanös und bedrohte alles, was ihm in die Quere kam, sowohl Einwohner als auch Institutionen. Schließlich versäumte er eine Frist und kann nun das geplante Kleinkraftwerk überhaupt nicht mehr errichten.
Sein Eigentum am Teilstück des Mühlbachs ergibt keinen Sinn mehr. Dem Mann dürfte es aber ein Vergnügen bereiten zu verhindern, dass Wasser im Mühlbach fließt, zum Leidwesen aller. Es gibt ein kleines Wehr in seinem Abschnitt, von dem Wasser aus dem Bach in die Gössering zurückgeleitet werden kann. Dieses Wehr wurde von ihm außer Funktion gesetzt. Selbst wenn die Wehranlage am Wasserfall offen wäre, alles Bachwasser würde ein paar Meter weiter sofort wieder in die Gössering fließen.
Vor zwei Jahren rann noch etwas Wasser. Bald war der einst so stolze, schöne Bach nur noch ein Rinnsal. Nun führt er kein Wasser mehr. Alles Getier, auch Fische, sind verendet. Kinder konnten ein paar Fischlein, die im Morast zappelten, retten und in die Gössering tragen.
Die Bürgerinitiative wurde von vielen Todesfällen und anderen Schicksalsschlägen heimgesucht. Trotzdem kämpfen wir seit 2016 und werden niemals aufgeben.
Meine Mutter, die sich fast bis zu ihrem letzten Atemzug für den Bach engagierte, starb vor zweieinhalb Jahren. Nun bin ich sehr aktiv, habe eine Webseite und eine Facebookgruppe ins Leben gerufen und tausche mich regelmäßig mit den Aktivisten aus.
Ein Künstlerclub, den ich vor acht Jahren mit anderen Künstlern gründete, rief kürzlich zu einer Kunstaktion für den Mühlbach auf.
Wir sind nun stark, haben Unterstützer. Die Chancen stehen gut.
© Clarissa_Smiles 2021-02-28
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