Gartenträume
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Von blumigen Visionen getragen, wandelte ich durch meinen ersten eigenen
Garten, der, dachte ich, darauf wartete, durch meine Zauberhände verschönt zu werden.
Ich war von dem Glauben beseelt, dass die gesäten Pflanzen genau an der Stelle wachsen würden, wo man sie hinsetzt und genau so aussehen würden, wie auf der Packung.
Bereits im ersten Jahr als Gartenbesitzerin wollte ich Sonnenblumen pflanzen. So hatte ich den Samen ausgesät und dann …
… darauf vergessen. Leider fällt es einem Neuling schwer, Kraut von Unkraut zu unterscheiden. Mit meinen neu gekauften rosa Gartenhandschuhen und den dazu passenden kleinen Krampen zog ich aus dem Beet, was den Anschein machte, nicht hier herzugehören. Leider hatte sich die kleine Sonnenblumenpflanze zu dieser Reihe gesellt. Das wusste ich nicht. Ich wartete den ganzen Sommer lang auf den Aufgang der ersten Sonnenblume und erst mit Aufgang der ersten Wintersonne begrub ich den Gartentraum.
Im zweiten Gartenjahr wuchs die Sonnenblume gar nicht. Sie war – verständlicherweise – beleidigt.
Im dritten Jahr des Versuchs eine Sonnenblume großzuziehen, fiel sie dem Mäher zum Opfer.
Ich habe mittlerweile 12 Jahre meinen Garten und hinter meinem Haus hat bislang noch keine Sonnenblume hervorgeschaut.
Ich träumte von einer Blumenwiese, wie man sie sich bei Meditationen vorstellt. Ein Stück meines Rasens sollte die Chance bekommen, eine Blumenwiese zu werden. Ich streute Samen aus der Packung, die eine vielfältige Blumenpracht versprach.
Wie sah das dann aus? Das Gras war lang, umgeknickt, Blumen musste ich suchen und das Ganze war nicht der angepriesene Magnet für Schmetterlinge, sondern bot den Nacktschnecken ein gemütliches Zuhause an.
Dafür tauchen Pflanzen auf, die sich überraschend in meinem Garten ansiedeln.
Im letzten Jahr brachte die Aussaat von Zucchinisamen ein verblüffendes Ergebnis. Ein Pflänzchen ging an einer Stelle des Beets auf, an der ich sie nicht angesät hatte. Die Pflanze wuchs prächtig. Zu dieser Pflanze gesellten sich viele Kollegen, die auf zarte Erbsenpflanzen und Möhren keine Rücksicht nahmen. Ich wusste das Zucchinipflanzen groß sind, aber dass sie sich so ausbreiten würden, hatte ich nicht gerechnet. Die Frucht wuchs auch nicht wie gewohnt in länglicher Form, sondern bildete eine Kugel. Das tat jede dieser Pflanzen. Bis ich zugeben musste, ich hatte keine Zucchini in meinem Garten, ich war Besitzerin eines Kürbisackers.
Statt Zucchini kamen gebratener Kürbis, Kürbiscremesumme, Kürbisgemüse auf den Tisch. Zierkürbisse standen vor der Tür als Dekor. Am Abend knabberte ich Kerne. Öl presste ich nicht.
Jedes Gartenjahr ist anders. Es ist eine stachelige Angelegenheit, dafür hat man rosige Aussichten. Gelegentlich muss man einfach Gras über eine Sache wachsen lassen, damit Neues wurzeln kann. Und manches muss man ganz unverblümt betrachten. Eigentlich wie im Leben.
Und nicht aufgeben: Vielleicht blühen heuer in meinem Garten Sonnenblumen.
© Daniela Pongratz 2021-04-11
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