Altersvorsorge vs. Neue Herausforderungen
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Nun verrate ich Euch etwas gar nicht so Geheimes: Wenn man Männer ließe, wie sie wollen, täten sie am liebsten mit Frauen tanzen, die 20 oder 30 Jahre jünger sind als sie. Jedenfalls ab dem Alter, wo sie selbst beginnen sich nicht mehr ganz jung zu fühlen.
Und ich verrate Euch noch etwas: Ich selbst wachse nun langsam in ein Alter, in welchem einen die 30 Jahre älteren Männer beginnen wegzusterben …
Okay – zugegeben: Übertreibung ist in beiden Absätzen durchaus vorhanden. Aber, selbst wenn wir die Übertreibung herunterschälen von des Pudels Kern, ein Fünkchen Realität brennt da dennoch lichterloh und hinterlässt nach so mancher Milonga nur zögerlich heilende Brandwunden.
Weshalb ich mir eine Art Altersvorsorge zurechtgelegt habe, in die ich seit ungefähr drei Jahren Zeit und Geld investiere. Eine Altersvorsorge, die sich zugleich als neue und inspirierende Herausforderung entpuppt. Ich lerne führen.
Ich begebe mich in die andere Rolle. Und ich fange darin von vorne an.
Dabei lernt man für die neue Rolle und gleichzeitig für die eigentlich zugedachte, da man sie an den anderen Damen erspüren kann. Was ich aber auch schon in diesem Rollenwechsel erfahren habe, ist, dass er nicht aus allen Nöten befreit: Weil an Tagen, an welchen man selbst unsicher ist und man nicht aufgefordert werden würde, traut man sich auch nicht aufzufordern (oder bekommt die Neins dann ebendort).
Aber insgesamt ist es eine lohnende neue Herausforderung. Und man ist den Ursprüngen des Tangos näher als man denkt: Weil es damals in der Hafenstadt Buenos Aires viel mehr Männer als Frauen gab, lernten Männer zu jenen Zeiten zuerst die Follower-Rolle. Sie begannen ihr Tangoleben also auch mit dem Teil, der – jedenfalls anfangs –vordergründig dem Reagieren gewidmet ist. Und erst, wenn sie darin gut einsetzbar waren und an ihren verschiedenen Leadern gespürt hatten, was nachahmenswert und was zu vermeiden ist, auch das Führen.
Was anfangs reine Berechnung war, mich vorzubereiten, wenn ich irgendwann in die unsichtbaren Jahre der Frau komme, die dann ja doch einige Jahrzehnte bis zum Lebensende dauern, mich dennoch mit dem Kopf – tanzend – über Wasser zu halten, so komme ich langsam – an guten Tagen – in die Gebiete, wo das, was ich dabei tue, beginnt, wenigstens mir selbst Freude zu machen ;-)
Was mir am Anfang des Führen Lernens komplett unmöglich erschien: Wie es anstellen, damit endlich das Denken dem Tun das Sagen überlässt? Als Frau, somit normal als Follower, kommt man auch als Anfängerin durchaus mal zu der erfreulichen Erfahrung, einen Tanz genießen zu können, wenn man an einen guten Leader gerät, der einem wohlgesonnen ist. Doch diesen Tanzfluss selbst zu erzeugen, in die Musik einzusteigen, sie liebevoll, humorvoll, kraftvoll und voll von Musikgefühl in Bewegung umzusetzen, dabei alle vier Beine zu steuern, mit Drehungen und Wendungen und Stops und Tempiwechsel und allem Drum und Dran, das erschien mir irgendwie unlösbar.
© Eva Hradil 2021-10-23
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