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#schreiben#vergleiche#vorspiel

Coitus interruptus.

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Coitus interruptus. | story.one

Kurz nachdem die Sache begonnen hat, ist sie auch schon zu Ende. Quasi: Kaum dass die eigentliche Betriebstemperatur erreicht ist, muss der Motor bereits zurĂĽckgedrosselt werden, nur kurz mit der Motorbremse vom Tempo zurĂĽckgenommen, um dann heftig auf die Bremse zu steigen.

Ich muss Euch enttäuschen, denn mit dem Titel habe ich Euch hinters Licht der Neugierde geführt. Und dennoch hat das, wovon ich schreibe, mit dem Gefühl zu tun, dass etwas, das gerade gut läuft, unterbrochen wird.

Hat ein Text nicht – wie andere Dinge – ein Vorspiel, äh also eine Einleitung, einen Hauptteil und dann ein rundes Ende, das dem Text noch mal bestätigt oder den Inhalt komplett in Frage stellt oder jedenfalls eine Frage oder ein Gefühl an den Leser weitergibt?

Wenn man nun das Schreiben eines Textes wieder mit Geschlechtsverkehr oder sogar „Liebe machen“ vergleichen wollte, ist die Vorgabe von einer Zeichenlänge, die keinesfalls überschritten werden kann, ein wenig so, wie eine Zeitvorgabe beim zwischenmenschlichen Bettdialog. „In einer halben Stunde müsst Ihr mit allem fertig sein!“

"Wo ist das Problem?” fragen sich jetzt jedenfalls die Männer. Und der Vergleich hinkt ohnehin. Halbe Stunde wäre ein mehrseitiger Text. Ein 2.500 Zeichen langer Text, wie dieser hier, wäre wahrscheinlich ein sieben Minuten langes Pas de deux. Für Vorspiel gibt es quasi keine Zeit, man muss da schon mit begierig geblähten Nüstern ins Rennen gehen.

Mir selbst fällt das auch beim Schreiben schwer. Ich liebe das Vorspiel oft mehr als die eigentliche Sache ;-) und so schreibe ich auch Texte. Mit einer langen und einstimmenden und verschmusten Einleitung. Neugierig machen. Mürbe machen. Fleisch will gewürzreich mariniert sein, bevor es aufs Feuer kommt. Dann reicht auch kurzes Braten.

Nach meinen Einleitungsarbeiten bei einem Text bleibt für den eigentlichen Hauptteil oft nur mehr kaum Platz. Für wortgewaltige und wortverliebte Menschen ist die Zeichenbeschränkung auf 2.500 Zeichen quasi eine Zumutung und eine Herausforderung in einem Gussstück. Wie fülle ich mein Vorhaben in dieses Model, ohne dass es oben herausquillt?

„Wer raunzt, der kauft.“ Heißt es. Und so raunze ich – das ist ein ostösterreichisches Wort für maulen oder nörgeln – zwar darüber, dass nach 2.500 Zeichen Schluss ist, nicht einmal ein vergessener Beistrich Platz hätte, außer man schösse dafür ein Wort aus den schon gut zusammenhängenden Satzreihen heraus. Und gleichzeitig nehme ich die Herausforderung an und füge mich in die Beschränkung. Ahnend, dass diese einem Text nicht unbedingt schaden muss.

Ich bleibe aber bei meiner Methode für diese kurze Textlänge: Die meiste Aufmerksamkeit gewähre ich der Einstimmung. Wenn dieser Faden schön und sauber eingefädelt ist, dann perlt der Rest flüssig nach. Gerade bei Zeitbeschränkung ist gute Vorbereitung wichtig; besser ist es also vom Hauptteil zu opfern.

Das Nachkuscheln jedoch fällt bei dieser Textlänge fast immer flach.

© Eva Hradil 2021-07-15

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