Das Buch, das mein Leben veränderte
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Zuerst beschreibe ich Euch seine körperlichen Eigenschaften. Weil ein Buch ja nicht nur Seele und Geist, sondern auch einen Körper hat. Ein Körper aus Papier und Karton, dessen Gestaltung durch Expertenhände ging, die unsere visuellen und haptischen Reize kitzeln sollen. Bevor uns ein Text gefangen nehmen kann, uns in sich einschließen für die Zeit des Lesens, wie eine Muschel ein Sandkorn und uns gefühlt bereichert wie eine Perle entlässt, will ein Buch ja erst mal gefunden werden.
Es hat wunderbar dünnes Papier – wenn man es durchblättert, ahnt man, dass man nicht gleich nach dem Eintauchen schon wieder aus dem Buch auftauchen muss, weil es inseitig viel Raum für Zeit hat. Es hat ein Lesezeichenbändchen, farblich abgestimmt auf Cover und Umschlag, welches eine Reise durch das Buch antritt, sobald es gelesen wird.
Es gibt Bücher, die lese ich, weil mich der Plot mitreißt, die Handlung keine Zeit zum Nachdenken lässt, z.B. bin ich Expertin im Aufklären von schwedischen Mordfällen. Oft sind diese mit exakten Zeitangaben versehen, wo ich mich frage: WIE? Das alles hat ProtagonistIn in einem Zeitfenster von nur vier Stunden erledigt? Ich sprinte atemlos durch das Buch, weil durch Cliffhanger und parallelen Handlungssträngen ich getrieben werde um weiter zu lesen, gefordert , das bis in die Puppen zu tun, damit dieser Fall geklärt ist und Ruhe einkehrt.
Es gibt Bücher, deren Sprache mich gefangen nehmen. Deren Sprache selbst zum Täter wird, weil sie mich fesselt. Auf die Frage, was ich denn male, ich bin Bildende Künstlerin, gebe ich gerne zur Antwort, dass das WAS nicht so wichtig ist, als wie das WIE. Und, da ich gerne in Metaphern erkläre, ist jene eine Analogie zu Texten: Wenn jemand gut schreiben kann, ist mein Vergleich, dann reicht aus, wenn diese Person den Weg von der U-Bahnstation zumeinem Atelier beschriebe, um es lesenswert zu gestalten. Wenn es jemand nicht kann, könnte dieser Mensch auch über die Liebe schreiben und es wird nichts.
Das Buch, das mein Leben veränderte, wird erst geschrieben. Bisher habe ich es mir noch nicht zugetraut. Und bislang wäre es auch zu gefährlich gewesen, da ich beinahe ausschließlich über mich rede und somit schreibe. Ein Buch darf ja supergern persönlich klingen, wenn es aber um einen selbst ginge, dann wäre es mir lieber, wenn es tatsächlich nicht zu persönlich ist. Ich sollte gleich mit dem zweiten Buch beginnen können, ist meine schmunzelnde Vermutung oder Ausrede. Im ersten arbeitet man noch eigene Befindlichkeiten ab und Erlebnisse, das zweite wäre dann schon frei(er) für Erfindung und Abänderungen und wilde Behauptungen.
Vielleicht helfen mir ja die Texte, die durch story.one das Licht der Welt erblicken, um mich darin von mir zu lösen und in einigen Jahren ein dichtes und dickes Buch mit dünnen Seiten und Einlegebändchen und einem Cliffhangerplott in gefangennehmender Sprache zu entwickeln? Welches, wenn das alles wirklich geschähe, zweifellos mein Leben veränderte.
© Eva Hradil 2021-10-27
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