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Die durchaus berechtigte Sorge der linken Hand.

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Die durchaus berechtigte Sorge der linken Hand. | story.one

Während ich diesen Text tippe, während mein Kopf die Worte findet und ordnet und den Wunsch, deren Buchstaben in die Tastatur zu tippen, an die Finger diktiert, klebt am Mittelfinger meiner linken Hand ein Heftpflaster.

Meine linke Hand mag manche meiner Tätigkeiten weitaus lieber als andere. Tippen ist ihr sehr recht. Beide Hände sind gleich schnell und gleich ungefährdet. Gehe ich meiner Berufung nach – ich bin Malerin – dann ist ihr das auch recht. Dort droht die größte und somit uneigentliche Gefahr durch Farbe, die, sobald man das Atelier verlässt, zwar in einem Zug zu „Schmutz“ wird, der irgendwo anhaftet, und so möglicherweise auch auf ihr. Das aber ist nicht schmerzhaft.

Es sind andere Ausübungsfelder meines Berufes, die meiner Hand die Schweißperlen auf deren imaginären Stirn zaubern. So zum Beispiel der Holzschnitt. Dabei bearbeitet man ein Holzbrett mit scharfen Messern. Und zwar dort, wo das Papier in Folge weiß bleiben soll. Dort, wo das Holz in seiner ursprünglichen Höhe bleibt, wird später mit der Walze Farbe aufgetragen, dann das Papier aufgelegt und mit einem Falzbein stundenlang abgerieben, damit die Farbe gleichmäßig und satt aufs Papier gelangt.

Während die rechte Hand, ich bin Rechtshänderin, das Werkzeug führt, und das mit einem gewissen Druck, weil es ja darum geht, damit Holz zu schneiden, will die linke Hand das Arbeitsstück ruhig und fest halten.

Die Erfahrung hat mich mittlerweile gelehrt, dass ich, noch bevor ich damit beginne, die Schachtel mit den Heftpflastern gleich neben die Arbeit lege. Finger sind ja stark durchblutete Teilbereiche unseres lebendigen Körpers, und diese Messer sind sehr scharf. Die Kombination dieser beiden Faktoren kann eine gehörige Sauerei verursachen, die noch dazu sauweh tut.

Natürlich weiß ich, dass man beim Festhalten des Arbeitsstückes darauf achten muss, das an der richtigen Stelle zu tun. Aber ganz im Denken rund um das Motiv und in die Arbeit versunken, vergisst der Arbeitseifer in seinem Eifer manchmal auf die helfende linke Hand und sie hält das Stück versehentlich dort, wo ein kleines Ausrutschen mit dem Messer genügt, um … Sauerei eben.

Das Pflaster, das ich gestern auf den Mittelfinger der linken Hand klebte, hatte eine andere Ursache. Die auch sehr gemein ist. Oft sogar noch gemeiner. Weil sie gleich zwei Gefahren birgt. Die rechte Hand hält die Heißklebepistole, die so heißt, weil ihr Kleber wirklich heiss ist. Die Gemeinheit dabei ist, dass man sich nicht nur ordentlich verbrennen kann, und das eigentlich fast immer an der anderen Hand, bei mir eben die linke, weil die das hält, was man kleben will. Sondern, weil man dann, sobald man sich verbrennt, die Sache instinktiv fallen lassen will, diese aber nicht fällt, sondern klebt. Und die Hitze richtig nachhaltig ins Haut-Fleisch-Gemisch einsinken lassen kann.

Gedenken wir einmal der helfenden Hände, die quasi immer am anderen Ende der Werkzeuge tätig sind, dort, wo kein Griff ist. Selbst in der Küche.

© Eva Hradil 2021-12-04

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