Entschuldigung an meine Tangofreunde
- 57

Meine TangokollegInnen werden mich möglicherweise faschieren oder jedenfalls klein schneiden und ins Innere von Empanadas (gefüllte Teigtaschen) packen? Weil ich so viel „Falsches“ geschrieben habe? Oder, weil ich mir überhaupt anmaße, das Unbeschreibliche beschreiben zu wollen?
Ich glaube, Tango ist etwas sehr Persönliches. Und meine Wahrnehmung könnte durchaus meilenweit, oder auch nur kilometerweit, von der der anderen liegen. Ich kann ihn nur durch den Eva-Hradil-Filter wahrnehmen und selbst da verändern sich meine Wahrnehmungen, weil ich ja mehr und mehr hineinwachse in den Tango. (Oder er in mich.)
Nach zwei bis drei Jahren Tango tanzen hat man das erste Mal das Gefühl, dass man ihn „könne“. Ha, ha, ha - selten so gelacht! Da fängt das richtige Lernen gerade erst mal an! Ähnlich, als ich mit 18 Jahren den Führerschein in Händen hielt, mit dem Gefühl, jetzt Auto fahren zu können. Man „darf“ dann gerade mal Autofahren, von können ist noch einige Zeit keine Rede.
So, wie man selbst als allereinziger Mensch nie austesten kann, wie es sich für andere anfühlt, mit einem zu tanzen, kann ich auch nicht abschätzen, ob andere all das, was Tango tanzen für mich bedeutet, wie es sich für mich anfühlt, während ich es „tue“, ähnlich erleben. So, wie ich z. B. die Farbe blau „kenne“ und weiß, wann ich sage, dieser Farbwert ist blau, und dass andere Menschen das bei ihm auch tun, kann ich dennoch nicht erleben, ob und wie sie die Wahrnehmung der Farbe tatsächlich erfahren. So ähnlich stelle ich mir das vor, über den Tango zu lesen. Ja, man erkennt einiges darin. Aber anderes vermisst man oder findet im Gegenteil übertrieben dargestellt.
Verzeiht mir also, liebe Mitsüchtige und Menschen der Tango-Community!
Aber vielleicht ist so ein Büchlein immerhin ein guter Anlass, (wieder einmal) selbst darüber nachzudenken, was der Tango für einen ist. Wie man ihn selbst beschriebe, in ganz eigenen Worten, all die Klischees absichtlich auslassend? Warum man so gefangen ist, warum der Tango es schafft, uns/einen so an sich zu binden? Welche Lücken er ausfüllen soll, er ausfüllen kann, er ausfüllen darf? Welche Lücken er aber auch schafft?
Ich bin dem Tango wahrhaftig sehr dankbar. Weil ich wirklich schon viel von ihm und durch ihn und mit ihm gelernt habe. Und gefühlsmäßig ist dieser Vorgang noch lange nicht abgeschlossen. Ich tanze einfach durch und durch gerne. Tanzen ist wahnsinnig viel besser als Fernsehen. Tanzen ist meist besser als lesen. Tanzen ist sogar besser als Nougatschokolade, Chips oder was einem sonst als Naschanreiz einfällt. Tanzen ist gesund für Körper und Hirn. Tanzen ist „lebendig sein“ und es dabei aktiv wahrzunehmen. Bewegung. Musik. Gleichgesinnte Menschen. Verbindung. Im Takt und im Fluss sein mit der Gegenwart.
Danke an all die Tänze.
Danke Tango Argentino!
© Eva Hradil 2021-11-13
Kommentare
Jede*r Autor*in freut sich über Feedback! Registriere dich kostenlos,
um einen Kommentar zu hinterlassen.