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#tanzen#folgen#tango

Führen vs. Folgen

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Führen vs. Folgen | story.one

Im richtigen Leben folge ich ja ungern. Oder jedenfalls dann, wenn es jemand zu offensichtlich macht mit etwaiger Manipulation. Im Tango folge ich hingegen absolut gerne, besonders, wenn jemand offensichtlich gut meine Beine manipulieren kann, sie bewegen, als wären sie durch diese Person fremdgesteuert. Als hätte man jemandem den Joystick für die Beinkoordination überlassen und er spielt damit und macht es wunderbar.

Es gibt Leader, die einem exakt die Schrittlänge und den Landeplatz des Schrittes anzeigen können. Die mit meinen Beinen stricken und häkeln und die mich Kombinationen tanzen lassen, die ich zuvor noch nie erfahren habe. Das geht nur, wenn man seinen eigenen Kopf auf Durchzug stellen kann. Er darf nicht mitdenken wollen und nicht mitdenken können. Dann ist man gut als Follower. Weil nur dann kann man völlig Neues tanzen, kann die Möglichkeiten, die ein guter Leader bietet, ausnutzen.

Ein Leader tanzt immer sich selbst – mal besser und mal stockender, je nach PartnerIn und Tagesverfassung. Ein Follower hat somit von Tanda zu Tanda die volle Abwechslung, weil ja jeder Leader seinen eigenen Möglichkeiten nachkommt und die von Person zu Person verschieden sind. Daher gebe ich dem Tanzen als Follower den Vorzug. Weil dann kann ich loslassen, genießen, mich von der Musik und dem Können eines Leaders tragen lassen. Quasi die Verantwortung abgeben. Und dann genau das genießen.

Aber dennoch mit Eigenverantwortung: Meinerseits die Verbindung zu suchen und zu halten. Meinerseits die Musik zu hören. Und die eigene Balance ist quasi Voraussetzung. Der Leader gibt die Schritte vor; den Sekundenbruchteil aber, zu welchem ich den Schritt setze, wähle ich selbst. Vielleicht absichtlich ein wenig verzögern, das ist eine der Ursachen, warum man den Tango als lasziv wahrnimmt.

Das mit dem Interpretieren der Musik als Leader, das kann ich (noch) nicht beschreiben. Ob das jemand kann, der es schon kann?

Der offizielle Antrag zum Gemeinsamtanzen kommt jedenfalls von der Person, die führt, weil sie lenkt in Folge das gemeinsame Schiff und darf sich somit die Crew aussuchen, je nach Wellengang, Regattadichte und Bootstyp. Der Leader stellt einen Blickkontakt zum Wunsch-Follower her, wird dieser erwidert, dann nickt er mit den Augen oder mit dem Kopf. Der Deal ist perfekt, sobald der Follower mit einem Nicken bestätigt. Inoffiziell hat der Follower immerhin ein gutes Wort mitzureden, weil man nur von Kapitäten als Crewmitglied angeworben werden kann (und darf), welchen man die Möglichkeit zum Blickkontakt geboten hat.

Ich selbst führe derzeit zumeist einfach nur Schritte. Weil ich erst wenige Figurensequenzen so in mir eingespeichert habe, dass ich sie mit fließender Selbstverständlichkeit abrufen kann. Was für mein Lernen vielleicht ohnehin gut ist, bin ich doch dadurch gezwungen, einfache Schritte in die Währung „Tanz“ umzurechnen. Und ich achte darauf, auf die Musik zu hören – nicht einzig auf den Rhythmus.

© Eva Hradil 2021-11-01

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