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Kunst und Natur

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Kunst und Natur | story.one

Natürlich sind diese beiden Begriffe Gegenteile. Das eine ist von Natur aus so gewachsen, geboren, geschlüpft. Das andere wurde künstlich hergestellt. Selbst, wenn ein Kunstwerk aus natürlichen Materialien erbaut wurde, ist es doch künstlich.

Viel mehr als dieses Wort- und Gedankenspiel interessieren mich all die Kunstwerke der Natur. Nehmen wir eine Gottesanbeterin her. Sie ist nicht wirklich verwandt mit der Heuschrecke, die ja auch schon eine bemerkenswerte Erscheinung darstellt, aber deren Anblick vertrauter ist. Eine Gottesanbeterin ist irgendwie ein Geschöpf, bei dem man, wäre es das Werk eines Künstlers, eventuell annehmen müsste, er hätte gerade – klischeehaft – mit einer Droge experimentiert. Oder andere kreativfördernde Geheimmittel versucht. Eigentlich brauchen wir gar nicht die selteneren Tiere auszugraben, um uns zu wundern. Sondern die ganz alltäglichen: eine Ameise in starker Vergrößerung lässt uns wahrlich erschauern.

Ein Tapir schaut aus, als hätte ihn jemand mit Bausätzen aus verschiedenen Schachteln zusammengebaut, als hätte man aus Ersatzteilen von anderen Tieren dieses hier zusammengemischt. Ein Schnabeltier detto.

Als weitere „wundersame Geschöpfe der Natur, die besonders viel Phantasie für die Herstellung benötigt haben” können der Axolotl und die Darwin Seefledermaus angeführt werden. Zweitere heißt nicht ohne Grund auch: Red lipped batfish.

Erinnern wir uns an die Geschichte am Anfang des Büchleins, in der ein Landwirt inmitten einer landwirtschaftlichen Halle während eines Symposiums für bildende Kunst vor einer abstrakten Arbeit zum Stehen kommt, mit den erbost klingenden Worten: „Was ist das?“ Er sagt das mit Vorwurf. Weil ein Mensch etwas geschaffen hat, das ihn zwar in den Bann zieht, er aber nicht einordnen kann. Stehen wir aber vor einer „abstrakten Arbeit“ der Natur, dann sind wir nicht erbost. Sondern erstaunt. Fasziniert. Abgestoßen vielleicht. Aber nicht böse, dass wir dieses Geschöpf nicht einordnen können.

Der Natur stehen wir Eigenartigkeiten ohne weiteres zu. Werden diese aber von anderen Menschen „erschaffen“, dann wollen wir unbedingt diese Machenschaften sofort einordnen und benennen können, wissen, worum es sich handelt. Wir nehmen hin, sollte es uns an ein anderes Ende der Welt verschlagen (durch Beruf oder Urlaub), dort Tiere und Pflanzen vorzufinden, die anders aussehen als daheim. Das erhöht sogar den Faktor des Gefühls von Reisen, auf Neues zu stoßen, überrascht und fasziniert zu sein. Finden wir es aber auf vertrautem Gebiet, dann verunsichert uns das? Oder macht uns sogar ärgerlich?

Lasst uns in Zukunft Kunst, die wir nicht einordnen können, ansehen, als wäre es ein seltenes Insekt in einem schönen Garten. Innehalten. Uns freuen, dass wir aufmerksam genug waren, es zu entdecken. Uns eventuell ein wenig zu grausen, im Falle des Falles. Aber auch die Faszination wahrnehmen. Und dann weitergehen.

© Eva Hradil 2022-10-29

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