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#reisen#tanzen#spielregeln

Niemals allein in fremden Städten

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Niemals allein in fremden Städten | story.one

Es war im Resselpark am Karlsplatz bei einer Open-Air-Milonga, schon einige Jahre her, als ich mit einem Mann, dessen Gesicht ich nicht von der Wiener Tangoszene her kannte, tanzte. Er sprach “avec un wünderbar fransösisch accent en son Stimme”.

Ein Blitzforscher aus Paris, der für einen internationalen Blitzforscher-Kongress an die Technische Universität in Wien gekommen war. Ich liebe Kongresse. Sie bringen tanzende Blitzforscher und sonstige Spezialisten auf Wiener Milongas.

Egal, ob beruflich oder als Urlauber, wenn ein Tangomensch reist, sind die Tangoschuhe im Gepäck. Abends muss man in der fremden Stadt nicht alleine “abhängen”. Man gibt im Internet den Namen der Stadt und den Begriff „Tango Argentino“ ein – und es erscheinen Websites, die einem zeigen, wohin man an welchem Abend gehen kann. Das gilt natürlich auch für Paare, die dann für ein Wochenende oder eine Woche die Szene in einer Community bereichern.

Ich habe sowohl in Wien als auch in anderen Städten mit Menschen getanzt, in deren Muttersprache ich kein Wort sprechen könnte. Die Spielregeln sind international geregelt, wie man auffordert und aufgefordert wird – durch Blickkontakt und gegenseitige Zustimmung. Meist geht man dann ohne Worte auf die Tanzfläche. Es gibt Tandas, da waren die einzigen Worte am Ende der vier gemeinsamen Tänze, ein ehrliches „Danke / Gracias / Thank you“.

Doch man vermittelt einander viel: Mittels der Sprache der Schritte in der Musik. Mittels gemeinsamen Atmens. Innehaltens. Weitertanzens. Das Spüren der Dankbarkeit, wenn man an jemanden geraten ist, mit dem die gemeinsamen Minuten wohlgeraten sind. Mit der Dankbarkeit über die internationalen Spielregeln des Tangos, die einen in einem fremden Land nicht ins Fettnäpfchen treten lassen, wie das sonst in einem neuen Land, dessen Verhaltenskodex und Spielregeln man nicht verinnerlicht hat, durchaus passieren kann. Die vom Tango sind das (hoffentlich). Und sie funktionieren.

Städteweise kann es Unterschiede insofern geben, als in tangotouristenreichen Städten wie Paris oder Berlin – und natürlich Buenos Aires – die Einheimischen ungleich unlieber mit Touristen tanzen als in Städten, wo man froh ist, über eine Auffrischung des heimischen Tangoblutes für einen Abend.

Der Tango Argentino ist eine Art internationale Geheimloge, die einem in neuen und noch fremden Städten helfen kann, Anschluss zu finden. Dort trifft man auf Menschen, die einem auch in Fragen des Alltags behilflich sein können. In der Ferne, aber auch in der Nähe. Ist man in der Nähe dann vielleicht selbst diejenige, die nach der Milonga jemanden mit dem Auto vorm Hotel absetzt, Sightseeing-Tipps gibt oder einen Tangogast als Modell für ein Bild nutzt, wie ich das als Malerin schon getan habe.

© Eva Hradil 2021-11-10

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