Vom B.
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Im Garten war ein junger Kirschbaum gänzlich verschwunden, und der erwachsene war verletzt worden. Gemein und hinterhältig. Und ich liege am Sofa und stelle mich tot, damit mich der Wahnsinn nicht finden und fressen kann.
Mein Handy läutet. Immerhin das Handy gibt es noch. Es ist eine Nachbarin. Wie es mir gehe?
Ich weiß nicht. Ich glaube, ich spinne. Ein Baum ist weg und jemand hat meinen Kirschbaum verletzt, vorsätzlich, aber ich weiß keinen Grund und wer und warum und wie …
Ich komme, sagt sie. Und ist auch schon da.
Ich führe sie an die Stelle mit dem kirschbaumförmigen Loch. Sie teilt mit den Händen das niedrige Gesträuch, aus welchem der junge Baum kerzengerade und geschützt hervorgewachsen gewesen war. Und dann lächelt und nickt sie. Ihre Vermutung hatte sich bestätigt.
Weil in diesem Gestrüpp versteckt steht noch das untere Ende des jungen Stammes, mit drei oder vier Abschrägungen nach oben hin.
Das war der Biber, sagt Ruth.
Ein Biber war in meinem Garten? Ich weiß nicht, ob ich gerührt bin, weil ein Wildtier bis in meinen Garten kommt. Ich bin jedenfalls erleichtert, weil sich die Attacken auf noch vorhandene und verschwundene Bäume somit aufklären. Später fällt mir der „Strauchschnitt“ im Garten ein, an welchen ich mich deshalb nicht erinnern konnte, weil es der Biber war, der geschnitten hatte, dann aber seine Beute nicht unter dem Gartenzaun abtransportieren konnte. Somit blieben die Äste da so unvermittelt liegen, halb im Gras, halb im Gebüsch.
Und ich fand alle die Stellen, wo er unter dem Zaun des hinteren rechten Nachbarn zu mir durchkam. Vom Nachbarsgarten kam er bis ans Wasser. Kurz darauf tötete er einen Viertelstamm-Apfelbaum, ratzfatz abgefressen. Die Krone lag neben dem Stamm. In derselben Nacht hatte er auch begonnen, den Hochstamm-Apfelbaum flachzulegen. Er hatte schon rundum die Rinde abgetragen, bis auf einen circa acht Zentimeter breiten Steg, der unversehrt blieb. Und teilweise war nicht nur die Rinde weg und der Bast, sondern auch ins Holz hinein eine Delle in den Baum gefressen.
Dieser Baum ist tot, dachte ich. Weil das kann er nicht überleben. Dennoch fuhr ich los, um künstliche Rinde zu kaufen, mit der man normalerweise kleine Wunden verschließt. Eine Art Paste, die dann aushärtet. Das spachtelte ich auf die Wunde und schützte danach diesen Stamm und alle anderen Bäume im Garten mit Drahtgitter. Damit er in der darauffolgenden Nacht sein Werk nicht fortsetzen kommen konnte. Weil dieser Baum, selbst, wenn er dem Tod geweiht ist, kontrolliert gefällt werden musste, um nicht Schupfen oder Gartenzaun mit sich zu treffen.
Ein Biber frisst Obst, habe ich gelernt. Nicht nur junges Holz und Triebe. Er hatte die Kirschen gefressen, die am Boden lagen. Später im Jahr die Äpfel und besonders gern die Birnen. Die hat er rundherum abgefressen, wie Baumstämme.
© Eva Hradil 2021-04-08
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