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#haustier#katze#tierfreund

Von der Chefin

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Von der Chefin | story.one

Die Persönlichkeit, von der ich jetzt erzähle, hat ein Körpergewicht von zwei bis zweieinhalb Mehlpackungen. Oder Zucker. Ich kann es – nach all den Jahren – immer noch nicht fassen, wie ihre Persönlichkeit auf so wenig Raum und Gewicht Platz und Auslangen findet. Wobei Auslangen findet sie wohl darin ja eben nicht, weshalb sie sich so in ihre Umgebung verbreitet.

Es begann als Wochenendbeziehung. Die zwei Tage, die ich aus Wien in das Dorf fuhr, in welchem ich aufgewachsen bin, und wo auch der Garten meiner Oma liegt, war sie eines Tages in jenem Garten. Sobald sie mich gelehrt hatte, wie zwecklos mein Widerstand im Vergleich zu ihrem Willen und ihrem Nicht-Zweifeln ist, und ich sie auch fütterte und über Nacht im Haus schlafen ließ, galten wir nach außen fast als Paar.

Wie geht es der Katze? So lauteten Fragen, die an mich gerichtet waren. Und die Antwort galt dann wahrscheinlich gleich für uns beide. Jahrelang hatte ich mich über Menschen erheitert, die sich so an ein Tier binden, die in der Mehrzahl von sich und dem Haustier sprechen und nun fand ich mich selbst inmitten solch einer Verkettung.

Ich hätte mir nie ein Haustier genommen. Wer in zwei unterschiedlichen Haushalten lebt, oft auch mal für ein Projekt und einen Monat im Ausland, und Tiere liebt, legt sich kein eigenes zu. Doch ich wurde ja dabei nicht wirklich gefragt. Diese Katze legte sich mich zu.

Der Haushalt, aus dem sie tatsächlich stammt, besteht aus drei Menschen, einigen Katzen und drei Hunden. Dort wusste man bald, dass, sollte das Fernbleiben dieses Tieres mit dem Vorhandensein meines Autos zeitlich zusammentreffen, sie sich keine Sorgen um sein Wohlbefinden machen mussten. Sie gönnten es der kleinen Persönlichkeit, dass sie auch außerhäuslich eine Sklavin aufgetan hatte, die noch dazu besonders anfällig für diese Art der Manipulation zu sein scheint.

Ich kann durchaus stur sein. Jedenfalls egoistisch, egozentrisch und eigenbrötlerisch. Gegen dieses kleine Ungeheuer bin ich jedoch machtlos. Sie handhabt mich als wäre ich ihre Marionette oder wäre über einen Joystick fernbetrieben. Das, was mir als einziges bleibt, ist, mich über mich lustig zu machen, bzw. über meine Kapitulation.

Dabei ist sie mittlerweile eine ältere Dame. Ein Stück schon leicht abgenutztes Rheumafell, welches ich durch mich aufwärmen darf.

Gelernt von ihr habe ich bereits eine Unmenge. Viel über mich selbst. Und über die Kraft von Nicht-Zweifel. Von der Selbstverständlichkeit mit der sie gestreichelt werden will und im Fall des Falles das einfach selbst erledigt, in dem sie an der Hand, die ein Buch hält, das Handy bedient, mit ihrem Kopf anschmiergelt. Von ihrer Gabe den Augenblick zu genießen, der sie auch akustisch Ausdruck verleihen kann. Mein eigenes Schnurren wird aber eher zum wohligen Grunzen, sofern ich das versuche. Da braucht es noch viele weitere Unterrichtseinheiten.

Zuerst nahm sie meinen Garten, dann übernahm sie mich. Dieses Früchtchen erntet Menschenherzen ...

© Eva Hradil 2021-06-10

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