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#garten#danke#rechtzeitig

Von kleinen Verletzungen

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Von kleinen Verletzungen | story.one

Junge Katze? Wurde ich in einem Aufzug gefragt, meine sommernackten Arme mit Kratzern darauf gut sichtbar. Nein, antwortete ich. Alte Rosen.

An den Tagen, an welchen ich vom Gartenworkout zurück in die Stadt komme, bin ich meist irgendwo zerkratzt. Rosen, Äste, die man übersehen hat, Brennnesseln, Disteln, handwerkliche Ausrutscher, blaue Flecken. Ja, natürlich gibt es Handschuhe, ich nutze sie sogar. Manchmal werden sie aber nass und dann zieht man sie aus und …

Vor mittlerweile mehr als zehn Jahren war ich auf dem Weg zu einem Symposium in Krumau in Tschechien. Am Morgen des Anreisetages wachte ich mit einem knallroten und heftig geschwollenen linken Handrücken auf. Sehr seltsam. Was ist das denn? Wo kommt das her? Es sah aus, als hätte mich eine Biene oder Wespe gestochen, nur ohne Einstichstelle. Doch es war Mitte November und ich hatte in Wien in meiner Wohnung übernachtet, wo es nicht einmal im Sommer Spinnen gibt. Welches Tier soll mich dort während der Nacht gestochen oder gebissen haben? Seltsam.

Ich fuhr also mit dem Auto von Wien nach Krumau. Ja, die Hand schmerzte, aber dafür war einfach weder Zeit noch gedanklicher Raum. Schon die Vorfreude auf das Symposium und die Konzentration auf eine dichte Arbeitszeit.

Als ich mein Notebook dann – inmitten dieses pittoresken Stadtkerns – online bekam, nachdem ich im Schneesturm endlich geparkt und das Auto entladen hatte und zu Hause Bescheid gab, gut angekommen zu sein, schrieb ich auch über den immer noch heftig angeschwollenen Handrücken, der mittlerweile eine rote Linie auf die Arminnenseite gebildet hatte, die dort hochkroch.

Mein Glück war, dass ich mit Natalia, einer lieben Kollegin, zum Abendessen verabredet war. Du, ich will Dich ja nicht beunruhigen, meinte sie, aber ich glaube Du hast eine Sepsis. Meine Schwester hatte das mal, ich weiß, wie das aussieht.

Sonntagabend. Wir marschierten eine Stunde lang durch die schneestürmische Altstadt auf der Suche nach dem Spital. Als wir endlich die Ambulanz fanden und der Arzt den Strich sah, bekam er schmale Lippen, nickte und fragte dann nach der blauen Karte. Blaue Karte? Ich habe eine grüne Karte, die e-card. Ohne blaue Karte könne er leider nichts machen. Dennoch holte ich meine grüne Karte hervor, was uns beide beruhigte, weil deren Rückseite blau ist und für den internationalen Bereich zuständig. Man lernt ja nie aus.

Nachdem sie eine wunzigkleine Verletzung am Mittelfinger, die ich mir einige Tage zuvor beim Einwintern des Gartens geholte hatte, kurz bevor ich die Dachrinne von Laub befreite, mit Jod versorgten, bekam ich ein Rezept für Antibiotika. Ich müsse heute noch – er sah mich nachdrücklich an – heute noch nach Budweis gelangen, dort sei im Foyer eines anderen Spitals eine 24-Stunden Apotheke.

Als ich um 22 Uhr dort im Foyer um ein Glas Wasser bat, um die erste Tablette gleich einnehmen zu können, war der Strich schon über den Ellbogen fast im halben Oberarm angekommen. Gartenarbeit ist nicht nur kontemplativ.

© Eva Hradil 2021-06-14

Gartengeflüster

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