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Von Schlangen

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Von Schlangen | story.one

Mein Garten hat meine Schlangenphobie geheilt. Wobei das keine Einmaldosis ist, die man dafür einnehmen muss. Ich sehe mich vor vielen Jahren an einem warmen Spätfrühlingsvormittag, meine Füße nackt in Schlapfen steckend, durch das Gras gehen. Und in der Nähe eines Holzhaufens plötzlich verschwimmt der Boden unter diesen Füßen. Was aber nicht an den Augen lag, sondern, weil dort in der warmen Sonne, unzählige, noch sehr kleine, aber schon sich dementsprechend richtig bewegende Schlangen wurlten. Ringelnattern oder Äskulapnattern in Babyform.

Worst Case für meine Schlangenphobie. Dieses Schlangengewurle ist Material für Albträume. Den Holzstoß hatte ich bald darauf abgetragen. Seither weiß ich, dass dort, wo Holz oder Steine Schutz bieten und Wärme speichern, ein gutes Zuhause für Schlagen ist. Und, dass das demnach nicht zu nahe am Haus sein soll.

Ein einziges Mal bisher war auch eine ins Wohnzimmer gelangt. Auch noch ein Kleinkind, auf deren Erwachsenengröße gerechnet. Wahrscheinlich ungefähr 40 cm lang. Das war im Spätsommer oder Herbst.

Meine Schlangenphobie hatte diesmal gar keine Zeit für die Phobie, weil ich mich auf die Schlange konzentrieren musste: Sie ja nicht aus den Augen zu verlieren. Sichtbare Gefahr ist eine Spur besser als unsichtbare. Während sie innehielt, weil das bei ihren natürlichen Feinden wie Reiher und Storch sinnvoll ist, machte ich langsame Schritte in Richtung Schürhaken. Damit fuhr ich dann, von meinem Arm gehalten, der bis auf seine doppelte natürliche Länge ausgefahren war, unter die Körpermitte der jungen Schlange und hob sie versuchsweise ein wenig hoch. Sie hat sich sofort daran festgehalten, bzw. ihren Körper ausbalanciert, und so sind wir, die Schlange, der Schürhaken, mein sehr, sehr langer Arm und irgendwie auch ich selbst langsam aber zügig bis zur Terrasse und einen Meter ins Gras, wo ich sie fallen ließ. Und mich in Sicherheit brachte.

Ein anderes Mal hockte ich lange auf meiner Terrasse und verteilte Blumenerde in Töpfe. Somit verursachte meine Arbeit eine ganze Zeit lang keine vibrierenden Schritte. Als ich mich dann aber erhob, um zwei der Töpfe um die Ecke zu tragen, war das zu kurzfristig. Weil um die Ecke, hinter dem Windschutz der Terrasse, blieb ich abrupt stehen. Aus einem Wühlmausloch ragten ungefähr 40 cm einer Schlange, die ihrerseits auch innehielt.

Vom ersten Schreck erholt, mittlerweile wusste ich schon lange um die Existenz einer Äskulapnatter nahe am Haus, ging ich zwei Schritte retour. Du hast Vorrang. Nicht nur, weil sie die Rechtskommende war und das eine ungeregelte Kreuzung. Bei ihrer Art der Fortbewegung gibt es keine Rückschritte. Sie kann sich nicht wieder retour einfädeln ins Wühlmausloch. Sie kann nur innehalten oder weitermachen. Das hat sie dann auch gemacht. Langsam, stoisch, majestätisch. Bis alle eineinhalb Meter aus dem Loch waren, die Engstelle des Gartens passiert hatten und im Unterholz des Nachbargartens verschwanden.

© Eva Hradil 2021-04-14

Gartengeflüster

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