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#erinnerung#katzepieseltundkackt#haustiere

Was ich nicht vermisse

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Was ich nicht vermisse | story.one

Scheissilein, was ich an Dir nicht vermisse, das sind Dein ausgeprägter Hang und Deine absolute Spezialität zur emotionalen Erpressung. Wie man die gekonnt einsetzt, darin warst Du Meisterin. Während ich mal weg war, saßest Du, sichtbar für alle, am Gehsteig, bestenfalls, manchmal sogar auf der Straße und sahst geduldig, vorwurfsvoll und hypnotisierend auf jenen Bereich, wo die Straße um die Kurve verschwand. Ähnlich, wie ich das mache, wenn ich in Wien bin und auf den D-Wagen (Straßenbahnlinie) warte, hattest Du auf jenen Punkt geblickt, von wo mein Auto erscheinen würde, wenn ich zurückkäme. Ein Erscheinen (von Straßenbahn oder meinem Auto), das durch die Blickintensität hergestellt oder beschleunigt werden soll. Klang dann ein Motor ähnlich, wie der von meinem Wagen oder wenn Dir das Warten schlichtweg zu lange gedauert hat, dann bist Du über die Straße direkt auf das/ein Auto zugelaufen. Mit dem Gottvertrauen, dass dieses dann normal stehenbleiben würde und völlig außer sich seiende Menschen aus sich gebiert, die auf Dich zulaufen und Dich trösten. Was ich nicht vermisse sind die Anrufe, die ich bekam, wenn ich (beruflich) weg war: „Du Eva, Deine Katze sitzt auf der Straße und wartet auf Dich.“ Und, was ich noch nicht vermisse, ist die Deiner Tätigkeiten, die Dir zu obigen Kosenamen verholfen hatte. Nicht nur Zärtlichkeit waren darin verpackt, sondern auch Tatsachenbeschreibungen.

Aber alles andere vermisse ich rasend. Dein Futter habe ich gleich am nächsten Tag verschenkt, um wenigstens ein Ding weniger zu haben, das mich an Dich erinnert. Dafür fange ich fast im Supermarkt zum Heulen an, weil ich noch rasch in den Gang gehen will, wo sie Tierfutter verkaufen und währenddessen draufkomme, dass das obsolet wurde.

Mein Handy ist voll mit Deinen Fotos. Tatsache. Es ist peinlich zu sehen, wie oft man das gleiche Schlafen, Dehnen, Strecken, Schauen fotografieren kann.

Ich habe Dich gezeichnet, Dich auf Leinwand gemalt, ich habe Dein Schnurren in Videos eingebaut und Dir sogar ein ganz eigenes Video gewidmet. Ich habe Texte über Dich geschrieben. Daher ist jetzt auch nirgends ein Entkommen vor dem Dich vermissen.

Es sind noch zahlreiche Haare von Dir auf Decken, Teppichen, unter dem Sofa, an meinen Kleidungsstücken zu finden, weil es ja erst zwei Wochen her ist, dass Du mit der Produktion und Lieferung derselben aufhören musstest.

Beim Grasmähen bin ich vorsichtig, sobald ich mich Deinem Lieblingsschlafplatz unter den Pfingstrosen nähere, obwohl ich dort nun niemanden störe.

Wenn ich mich beim Telefonieren aufs Sofa kuschele, dann kommst Du nicht mehr von egal-wo-Du-gerade-tief-und-fest-geschlafen hattest, um Dich auf mich und so nahe wie möglich ans Telefon zu legen, damit Du zuhören kannst.

Lass Deine Katze schön grüßen, sagen mir die Menschen, die es noch nicht wissen können. Und so kann ich auch inmitten eines Ausstellungsaufbaus zum Heulen anfangen. Es ist so peinlich. Scheiss(ilein)emotionalität …

© Eva Hradil 2021-09-08

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