Einfach mal stolz sein.
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Bist Du arrogant? Fragte mich kürzlich ein Kollege.
“Das hast Du heute toll gemacht! Super Präsentation.”
“Ach, Du Schmeichler. DUUU warst mit Deinem Part doch viel überzeugender!”
Schamhaftes Zu-Boden-Schauen, leichtes Erröten. Auf beiden Seiten.
Liegt es an diesem Land hier, an unserer Prägung und Erziehung, dass wir mit Komplimenten nicht umgehen können? Sie nicht annehmen können. Nicht zugeben können, dass man tatsächlich heute richtig gut war. Und sich gerade auch so fühlt. Warum können die meisten von uns nicht einfach DANKE sagen, lächeln und das Kompliment annehmen? Und feuern stattdessen im selben Atemzug zurück.
Warum fühlen wir uns so unwohl in der Aufmerksamkeit eines Anderen? Und warum finden wir es komisch, etwas Freundliches ohne Gegenleistung anzunehmen?
Auf der anderen Seite: Weshalb werfen wir reflexartig mit Komplimenten um uns, verteilen einen Sturm von Nettigkeiten? Oft, ohne es ernst zu meinen. Einfach nur, um “was Nettes” gesagt zu haben. Und uns damit besser zu fühlen. Warum? Aus Angst, vor Leere, Zurückweisung, Ablehnung. Aus Sorge arrogant zu wirken? Davor fürchten wir uns. Für arrogant gehalten, gemieden zu werden. Da hauen wir doch noch schnell ein paar weitere Nettigkeiten raus. Und machen uns im Gegenzug klein. Schauen schamhaft zu Boden, erröten, wiegeln ab …
Stolz ist Selbstachtung
Stolz ist Selbstbewusstsein
Steckt hinter dieser Unfähigkeit mit Komplimenten umzugehen vielleicht was ganz anderes? Ist das vielleicht Stolz im Sinne von Selbstachtung? Und Selbstbewusstsein?
Offenbar ist es verpönt, stolz zu sein. Stolz auf sich, auf seine Fähigkeiten, sein Können und seine Erfolge. Und dies auch noch selbstbewusst zu äußern. Da wird man gerne mit dem Attribut “Arrogant” gekennzeichnet.
Arroganz ist, wenn ein Feuilletonist in seiner Buchrezension mehrfach moniert, dass ein Bestseller-Autor unter seinem Niveau schreibt. Arroganz ist, wenn man sich selbst auf ein Podest stellt. Und dann auch noch anderen ein schlechtes Gefühl vermittelt. Arroganz ist Selbstüberschätzung. Und total immun gegen Kritik.
Also, ich bin stolz auf meine Talente. Und ganz zufrieden mit meinem Charakter. Auch mit meinem Aussehen. Und auf das, was ich in meinem bisherigen Leben schon so alles gemeistert habe.
Mittlerweile kann ich Komplimente annehmen! Lächeln und “Danke, das ist lieb von Dir” sagen. Ohne ein komisches, peinliches Gefühl. Und auch ohne die innere Not, direkt etwas zurückgeben zu müssen. Ja, ich kann es annehmen, dass es in diesem Moment nur um mich geht.
Und umgekehrt? Kann ich bewusst anderen eine Freude machen und bin dabei ehrlich. Ohne Hintergedanken. Ohne Lügen.
Zurück zum Kompliment des Kollegen: „Danke - ja, meine Präsentation war heute gut! Und ich fühle mich auch gut.“
Und, lieber Kollege, denk beim nächsten Kompliment mal an meine Worte: Ich bin nicht arrogant. Ich bin stolz!
Dieser Text ist im Rahmen der #blognacht mit Anna entstanden.
https://annakoschinski.de
© FrauvomMain 2022-01-19
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