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#magie#wallfahrt

An der Heilquelle

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An der Heilquelle | story.one

Diesen Ort zu erreichen, kostete mir viel Schweiß. Der steile Anstieg durch den Hohlweg nahm und nahm kein Ende. Immer wieder musste ich stehen bleiben und nach Luft schnappen. Da wurde mir deutlich meine Konditionsschwäche vor Augen geführt. Mein Mann war da aus anderem Holz geschnitzt. Bei ihm machten sich die Spaziergänge mit dem Hund bemerkbar. Nach einer dreiviertel Stunde mühsamen Aufstiegs war die Kapelle mit der sprudelnden Quelle daneben endlich erreicht. Umgeben von herrlichem Mischwald, auf einer Lichtung mitten im Wald, war ich auf einem Platz, an dem die Waldgeister zum Greifen nah zu spüren waren.

Ich entzündete ein Öllicht in der Kapelle, füllte meine Flasche mit dem Quellwasser und setzte mich auf die Bank, um mich in die Energie dieses Ortes einzuschwingen, während mein Mann und der Hund die nähere Umgebung erkundeten.

In den einfallenden Sonnenstrahlen glitzerte es, als ob Tausender kleiner Elfen an den Blättern der Bäume geschäftig werken würden. Hier erkannte ich deutlicher als je zuvor, wie wenig der Mensch braucht, um glücklich zu sein. Wie schnell es möglich ist, im Frieden und im Gleichgewicht zu sein. Nichts fehlt einem an so einem Ort der Wahrheit, der einem erkennen, fühlen und wissen lässt, was mit Rückkehr gemeint ist: Ein Leben frei von Stress und Machtstreben, frei von Illusion, dafür eingetauscht für den inneren Frieden, für die Leichtigkeit und für das Verständnis allem und jedem gegenüber.

Der Ruf eines Greifvogels begleitete meinen Aufstieg in eine Energie, die mich über die Wipfel der Bäume gleiten ließ. Ich schwebte. Es war eine spürbare Schwingung von Zufriedenheit, von Wertschätzung, von Mitgefühl und einem intensiven Zusammengehörigkeitsgefühl, die mich zu durchziehen begann. In dieser Vision gab es kein oben und unten. Alles war eins. Der Mensch mit seiner Herkunft, mit seinem Umfeld und mit seiner Bestimmung, das Leben mit Freude auszudrücken. Zu fühlen, dass das Licht, das wir sind, dasselbe ist, das uns alle führt.

Wir blieben noch längere Zeit an diesem gesegneten Flecken Erde, um alles in uns aufzunehmen, was einem im „normalen“ Leben so sehr fehlt. Die Ruhe, der Frieden, die Geräusche des Waldes, das Eins sein. Als es wieder nach Hause und abwärts ging, konnten wir noch viele Gesichter in den dicken, alten Stämmen der Bäume ausmachen, und sogar eine sicher Zweihundert Jahre alte Buche ausmachen. Auch wenn ich körperlich geschafft war, jeder Schritt hatte sich bei dieser Quellen-Wallfahrt gelohnt.

© Heidrun Siebenhofer 2020-11-29

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