Hallo Wunder, wo wart ihr so lange?
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Die letzte Zeit hat von uns allen viel abverlangt. Doch diese Zeit der Wandlung hat auch etwas Gutes. Sie fordert uns auf, sich mit uns und unserem Leben zu beschäftigen. Nicht mehr im Alten steckenzubleiben, sondern sich auf einen veränderten Weg zu machen. Dabei ganz nebenbei neue Lektionen lernen. Auf das Herz hören. Das wahrnehmen, was wirklich ist. Die Bedürfnisse der eigenen Seele erforschen. Erkennen, dass man manchmal weiterkommt, wenn man langsamer macht.
Auch in mir ist vieles stiller und ruhiger geworden, und ich habe intensiver begonnen, die Wunder um mich herum wahrzunehmen. Einfache Wunder. Schönheiten, die sich nicht in einer perfekten Oberfläche zeigen, sondern solche, die im Spüren erlebbar sind.
Es musste erst diese Art von Lebensstille in mir Einzug halten, damit ich wieder erkannte, wieviel Wunder mich tagtäglich umgeben. Zum Beispiel der Baum am Ende der Brücke, über die ich tagtäglich fahre. Bin am kleinen Parkplatz ausgestiegen und zu ihm hingegangen. Habe ihn umarmt. Mit der Hand über seine Rinde, seine Narben gestrichen und still auf seinen Herzschlag gelauscht. Seine Energie hat sich plötzlich ungewöhnlich laut in meinem ganzen Körper bemerkbar gemacht und meinen Herzschlag verstärkt.
Bumm bumm – Bumm bumm. Sinnbild dafür, was es heißt lebendig und im Einklang mit Veränderungen zu sein. In Harmonie mit dem stillen Werden und Vergehen. Sich selbst und die göttliche Gegenwart zu spüren...
Ich muss Augen und Seele öffnen. Dann werden mich Wunder von selbst finden. Die vielen Blüten des Kaktus, lassen mich in dieses Wunder verlieben. Das Rotkehlchen, das vor einigen Tagen still auf dem Fensterbrett verharrte, obwohl ich plötzlich vor ihm „auftauchte“. Den kleinen Marienkäfer, der sich mit all seiner Kraft an einer Blüte hochzieht. Eine Feder am Wegesrand, die mich raten lässt, wer sie an dieser Stelle wohl verloren hat? Sie erinnert mich an das Sprichwort: „Wir alle lassen Federn“! Wie passend für diese schwierige Zeit. Federn und Narben erinnern mich daran, dass jedes Leben aus Kampf und Loslassen besteht. Sie sind Spuren meines Lebens und machen mich nur stärker.
So viel Schönheit, so viele Wunder. Ich werde immer stiller und spüre, da kommt etwas Neues auf mich zu. Es gibt noch nicht wirklich ein Bild davon, wie das Neue ausschauen wird. Aber etwas drängt nach außen. Es ist noch eine Sondierung, eine Recherche „unter der Erde“. Doch es wurzelt und bewegt sich.
Ich spüre es…
© Heidrun Siebenhofer 2020-08-09
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