Unser wilder Dackel
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Mein Mann und ich sind Dackelfans. Unser erster Dackel Rafty war ein Vertreter seiner Rasse, der mit dem langläufigem Urteil: „störrisch und eigensinnig“ nicht viel gemein hatte. Er war eine Seele von Hund. Nicht unbedingt reinrassig, aber unverkennbar ein Dackel. Sein Blick – von unten nach oben – (ein Augenaufschlag wie einst Diana) ließ uns dahinschmelzen.
Zu dieser Zeit waren wir noch ganztags ins Geschäftsleben eingebunden. Um ihn nicht stundenlang alleine zuhause zu lassen, nahmen wir ihn ins Geschäft mit. Es dauerte nur wenige Tage und er wurde zum Liebling des ganzen Viertels. Seine Bekanntheit ging sogar weit darüber hinaus, denn unsere Kunden blieben oft beim Vorbeifahren stehen, und winkten ihm fröhlich zu.
Bei Sonnenschein hatte er es sich in eine der großen Auslagen gemütlich gemacht. Dort schlief er zusammengerollt den Schlaf eines Unschuldigen. Wenn zur Begrüßung an die Auslagenscheibe geklopft wurde, öffnete er als alter Herr nicht mehr die Augen – er klopfte einfach mit seiner Rute wie wild zum Zeichen, dass er es zur Kenntnis genommen hatte.
Seinen zweiten Stammplatz hatte er vor der geöffneten Eingangstüre. Zu seiner eigenen Sicherheit angeleint, verfolgte er das Treiben auf der Straße mit größtem Interesse. Wenn die Kinder mittags von der Schule nach Hause gingen, kannte er seine Favoriten von weitem. Da legte er sich auf den Rücken und wartete auf die Streicheleinheiten. Bei einigen Kindern wiederum verschwand er ins Innere des Geschäftes und wartete, bis sie außer Sichtweite waren. Deren Streicheleinheiten waren ihm vermutlich zu grob.
Rafty war so gutmütig, dass er, als unsere Enkelin im Krabbelalter einmal richtig derb an seinem Barthaaren zog, nicht mal knurrte. Allerdings verschwand er bei ihren nächsten Besuchen in seinem geschützten Körbchen unter der Küchenbank.
Mein Mann nahm ihn auch zur Jagd mit. Der Dackel war „schussfest!“ Da passierte es schon einmal, dass der Hund, vom Knall eines Schusses aus dem Schlaf gerissen aufsprang, um dem Wild nachzuspüren. Was vom Hochsitz aus, keine gute Idee war. Zum Glück war er angeleint, sodass mein Mann ihn „hochziehen“ konnte. Mit zunehmendem Hundealter ließ seine Begeisterung für morgendliche Jagdausflüge nach. Wenn er bemerkte, dass mein Mann sich für die Jagd ankleidete - meist so gegen 3 Uhr früh - zog er sich die Hundedecke demonstrativ über und reagierte auf die Frage:"Willst mitkommen, Rafty" mit langsamen Rutenschlag.
Eines Abends ging ich spät in der Nacht noch einmal mit ihm ins Freie. Mir kam ein einzelner Mann entgegen. Ich bekam Angst. Sagte zu meinem Hund: „Aufpassen, Rafty. Gefahr fürs Frauerl!“
Was tat der Kerl? Anstatt den Unbekannten anzuknurren, lief er auf ihn zu und begrüßte ihn schwanzwedelnd. Nachts bin ich nie mehr mit ihm rausgegangen…
© Heidrun Siebenhofer 2020-07-07
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