Wenn die Seele Wäsche bügelt
- 161

Jener Moment, der mein Leben nachhaltig verändert hat, geschah im Jahre 1994. Er fand statt, als ich nach einem mörderischen Sauna-Aufguss nackt unter der Dusche stand. Eine flüchtige Bekannte – um die siebzig, mit Gesichtsfalten wie eine Ziehharmonika – schaute mich prüfend an und meinte bedeutungsschwer: „Du bist Raucherin, stimmt´s?“
Irritiert musterte ich sie nun meinerseits und fragte, wie sie darauf komme. Worauf sie sagte: „Man riecht so etwas von weitem. Und erst in der Sauna!“ Das war mir dann doch peinlich und so meinte ich: „Wenn das Aufhören nur nicht so schwer wäre.“
Darauf schien sie nur gewartet zu haben: „Problemfälle sind meine Spezialität“, sagte sie und kündigte mir eine Überraschung an, wenn wir unsere Bademäntel wieder anhätten: „So nackt redet es sich nicht so gemütlich.“
Im Anschluss erzählte sie mir von einem Seminar mit einem hellsichtigen Trainer, der noch jeden Teilnehmer vom Glimmstängel weggebracht hätte:“Und das in kürzester Zeit“, fügte sie mit einer entsprechenden Handbewegung hinzu.
Ich hörte interessiert zu. Meine Neugierde siegte über den Schock des zu zahlenden Betrages. Schon eine Woche später saß ich im Kreis von sieben Teilnehmern und hörte interessiert dem Vortrag des Wundertrainers zu. Ich glaubte nicht wirklich daran, dass es bei mir funktionieren würde. Zu oft schon hatte ich es mit den unterschiedlichsten Mitteln probiert. Doch dieses Mal täuschte ich mich. Mit einem tiefen Blick schaute er mir nach dem Vortrag auf den Grund meiner Seele. Lange. Sehr lange. Ich weiß noch, dass ich mir dachte, hoffentlich ist dort unten aufgeräumt, und es liegen keine ungewaschenen Wäschestücke umher.
„Du hast nur mehr diese eine Chance aufzuhören“, sagte er bedeutungsschwer. Und er wiederholte das Gesagte, ohne darauf einzugehen, was dann passieren würde. Dieser Satz, gesprochen von einem Hellseher, traf mich bis ins Innerste. Ich dachte, er sieht bereits eine schwere Krankheit, von der ich noch keine Ahnung hatte. Außerdem versprach er mir, mich noch einige Zeit mit seinen geistigen und sonstigen Kräften zu unterstützen, was den Erfolg garantiere. Ich vertraute seinen hellseherischen Kräften wie meinem ersten Navi. Doch es waren letztendlich seine drakonischen Worte, die mich aus der Loipenspur des Altgewohnten in das Kielwasser der Neugeburt führten. In ein Leben ohne Nikotin.
Hätte ich damals allerdings gewusst, dass der „hellsichtige“ Trainer nur ein geschickter Blender war, ich hätte es sicher nicht geschafft, sofort mit dem Rauchen aufzuhören. So gesehen bekommt jeder Hilfe, der Hilfe zulässt. Denn Chancen sind erst Chancen, wenn wir sie ergreifen.
Bild: Pixabay
© Heidrun Siebenhofer 2022-03-16
Kommentare
Jede*r Autor*in freut sich über Feedback! Registriere dich kostenlos,
um einen Kommentar zu hinterlassen.