Wie viel bin ich wert?
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Letztens fragte mich ein junges Mädchen, wie es denn in meiner Jugend mit Wertigkeit und so gewesen sei. Ob die Beurteilung anderer, auch meine Lebensqualität bestimmt hätte? Denn in der heutigen Zeit lege man größte Aufmerksamkeit auf die Tatsache sehen und gesehen zu werden. Wer bei Instagram und &Co nicht jede Menge Freunde hat, ist niemand! Ein Foto hochladen damit Millionen es bestaunen und mit Daumen hoch oder nieder bewerten können, sei lebenswichtig für das Selbstwertgefühl. Man definiert sich über das Wohlwollen anderer. Das hebt junge Menschen in den Himmel – oder lässt sie an der eigenen Wertigkeit zweifeln. An genau dieser falschen Beurteilung/Manipulation verzweifeln heute viele junge Menschen. Sie erkennen nicht, dass sie sich selber ablehnen, je mehr sie anderen gefallen wollen.
Die Antwort zu geben: „Früher war alles besser“, ist zu einfach. Natürlich suchten auch wir als junge Menschen nach Lob und Anerkennung. Doch gab es nicht diesen Überfluss an Vorbildern und Schönheitsidealen. Wir mussten auf vieles verzichten, was heute selbstverständlich ist: Urlaub fahren ins Ausland; Mobil und unabhängig zu sein; Mit Freunden in der ganzen Welt in Sekundenschnelle verbunden zu sein. Das gab es in diesem Ausmaß nicht. Am Wochenende höchstens ein Kinobesuch, Telefonieren mit Freunden ganz selten, und wenn, war es mit großen Wartezeiten aufgrund von „Viertel-Anschlüssen“ verbunden.
Die Filmstars von damals waren weder abgehoben noch tätowiert . Unsere Vorbilder waren Karlheinz Böhm und Sissi, die uns eine heile Welt vorführten. Eine Welt schöner Naturaufnahmen, und mit Problemen, die unseren ähnelten. Da gab es noch nicht das Fernsehen mit der täglichen Dosis an Mord und Gewalt. Das machte es einfacher, sich auf Dinge zu konzentrieren, denen Respekt und Akzeptanz zugrunde lagen. Wir waren gezwungen, uns mehr mit uns selbst zu beschäftigen. Zu erkennen, wer wir sind. Und wie stark wir sein können, wenn es darauf ankommt. Wir lernten uns anzunehmen. Und wer sich selbst mag, kann sich auch selbst lieben und weiß, wie viel er wert ist.
Ich sagte zu ihr: „Höre auf, so sein zu wollen, wie andere! Du bist großartig, so wie du bist. Sei kein Herdentier, sondern stehe zu deiner Einmaligkeit. Streiche hervor, was du gut kannst und lerne aus deinen Fehlern. Nur wer sich selbst wertschätzt weiß, dass Schwäche auch stark machen kann“.
Sie hat mich verstanden. Das habe ich an ihren Augen gesehen.
© Heidrun Siebenhofer 2020-10-31
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