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Das Stacheldrahttaxi

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Das Stacheldrahttaxi | story.one

Irgendwo einsteigen und dort wieder ankommen und eindrucksvoll die Stadt und ihren Charme erleben - das gibt's wohl nur in Berlin - mit dem Stacheldrahttaxi - der Vollringbahn.

Gebaut durch die niederschlesisch-märkische Eisenbahngesellschaft 1867 war sie zunächst für den Militär- und Güterverkehr geplant. 1872 kamen Bahnhöfe für den Personenverkehr hinzu. Die Erschließung einer Stadt durch eine Ringbahn war in Europa einmalig. 1945 wurde die Berliner S-Bahn der DDR Reichsbahn zugeschlagen: auf Westberliner Bahnhöfen wehten DDR-Fahnen. 1961 nach dem Bau der Mauer wurden aus der Vollringbahn zwei Halbringe - und von den Berlinern boykottiert: Der Mauerstacheldraht sollte nicht mit Fahrkartengeld aus dem Westen subventioniert werden. 1984 ging sie in den Besitz von Westberlin über.

Wenn ich mit dieser Bahn fahre, steige ich zwischendurch aus - will Berlin mit seinem unterschiedlichen Charme erleben - und jeden Bahnhof mit seinen Eigenheiten.

Von “Westkreuz” , dem Funkturm und der “Grünen Woche” zum “Hohenzollerndamm” und “Heidelberger Platz” mit ihren wunderschönen Bahnhofsgebäuden - im Jugendstil und neoromanisch. Dann zum Turmbahnhof “Schöneberg", dessen Rathaus durch Kennedy (“Ich bin ein Berliner”) und einer beispiellosen Kundgebung nach dem Mauerfall Geschichte schrieb.

Nun nach “Tempelhof” und seinem inzwischen geschlossenen Flughafen, über den “Rosinenbomber” Berlin mit tausenden Tonnen Güter während der Blockade beliefert haben, und “Neukölln” - schon ein Multikultiviertel, als es das Wort noch gar nicht gab. Schließlich die - nach dem Mauerbau - Endstation “Sonnenallee”.

Heute kann ich weiterfahren zum ”Treptower Park" - ein Park mit vielen Erholungsmöglichkeiten, dem ehemaligen Spreepark “Plänterwald” und dem Sowjetischen Ehrenmal.

Weiter über “Ostkreuz” - bedeutungsvoll für Hitlers Hauptstadt “Germania” - und “Frankfurter Allee” - dem größten Containerbahnhof zu DDR Zeiten zur “Storkower Straße” dem Zentralviehhof um die Jahrhundertwende und einer ehemals 400 m langen Fußgängerbrücke.

Wieder ein schönes in Klinkerbauweise erhaltenes Bahnhofsgebäude in der “Prenzlauer Allee”. Über “Gesundbrunnen” - wo die Ost-Berliner Regierung am Wasserturm die Buchstaben „DDR“ hat anbringen wollen, der französische Stadtkommandant darauf mit Sprengung drohte - zum ältesten Bahnhof “Wedding” und “Westhafen” ("Putlitzstraße") - dem Ausgangsbahnhof des “Hauptmanns von Köpenick”.

Nach “Jungfernheide” - Siemens ließ für seine Arbeiter hier eine eigene Strecke einrichten - der Zug musste nach 200 m erneut halten - komme ich zur "Messe" und seinem unter Denkmalschutz stehendem Gebäude, zur AVUS und nach 37 km und 27 Stationen bin ich wieder in “Westkreuz”.

27 mal mit dem für Berliner S-Bahnen typisch zischenden Motorengeräusch angefahren, einmal die Stadt umrundet, mit einer Bahn, die Geschichte schrieb und Symbol des Kalten Krieges und der Vereinigung zugleich ist.

© Heinz-Dieter Brandt 2022-02-12

Berlin-ein Koffer voller Erinnerungen Leben in Berlin

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