Der Gedächtnisbus
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Ich stehe auf dem Balkon jener Wohnung, in der ich am wenigsten bleiben wollte. Trotzdem lebe ich hier seit fast 40 Jahren und werde - so Gott will - auch hier sterben.
Manchmal steige ich in irgendeinen Bus. Um wo anzukommen? Egal, wo ich aussteige, es ist alles fremd. Ich bin fremd. Die Menschen, die Gegend - alles ist fremd. Auch ich werde mir immer fremder. Wer bin ich? Wo bin ich? Diese Welt ist nicht meine, aber was ist denn meine? Was habe ich mir doch für eine Welt konstruiert, als ich jung war, vor vielen Jahrzehnten. Ich gehörte im Geiste zu denen, die eine Blume in die Gewehre steckte. Aber ich habe es nicht getan, ich war nur marginal dabei. Warum war ich so feige?
Heute steckt niemand mehr Blumen in Gewehre. Man will den Untertanen verklickern, dass der Krieg - sorry- die Spezialoperation - notwendig sei. Eine Operation ist immer ein Eingriff.
Wie geht es Frauen heute in der Ukraine? Und den Männern, die diesen Krieg nicht wollen? Und den Menschen in Russland, die begreifen, nur missbraucht werden? Junge Männer ohne Bildung aus dem entfernen Osten, manipuliert und instrumentalisiert?
Ich steige in den nächsten Bus und lande im Nirgendwo! Woimmer das ist.
© Kaligräfin 2023-02-05
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