Weihnachtsengel
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An einem Freitagabend, im Dezember 2018 ging ich in die Spitalsambulanz, um mir eine Wunde verbinden zu lassen. Ich hatte seit mehreren Wochen einen trockenen Reizhusten, der nicht enden wollte. Am Hals hatte sich eine Schwellung der Lymphknoten gebildet, die nun zu nÀssen begann.
Die behandelnde Ărztin untersuchte mich und meinte danach: âEs ist Wochenende, wir nehmen sie auf, um ihre Situation weiter abzuklĂ€ren.â Ich bekam eine Gesichtsmaske, um mich vor Keimen zu schĂŒtzen.
Am Montag wurde ich in ein anderes Wiener Spital ĂŒberstellt. Dort wurde ich weiteren Untersuchungen unterzogen. Dann nach mehreren Tagen die Diagnose: LeukĂ€mie. Ich war wie vom Blitz getroffen, eine Welt brach zusammen.
Ich muss dazu erwĂ€hnen, dass ich bis zu meinem 65. Lebensjahr kaum einen Arzt gebraucht hatte. Mein Vater wurde 96 Jahre alt und war rĂŒstig bis ins hohe Alter. Das hatte bei mir zur Ăberzeugung gefĂŒhrt, es wĂŒrde bei mir Ă€hnlich sein. Ich hatte mich getĂ€uscht.
Ich brauchte einige Tage, um mich auf die neue Situation einzustellen und meine Schockstarre zu ĂŒberwinden. Ich erhielt viel UnterstĂŒtzung von den wunderbaren Menschen, die auf dieser Krebsstation arbeiteten und ich lernte in der Abteilung Menschen mit noch heftigeren Schicksalen kennen als mein eigenes.
Inzwischen ging es auf Weihnachten zu. Ich hatte geplant, Weihnachten mit meiner erweiterten Familie zu feiern und auch schon die Einladung in mein Haus ausgesprochen. Der behandelnde Arzt meinte jedoch, er mĂŒsse mich ĂŒber Weihnachten im Spital behalten, meine Situation mĂŒsse weiter beobachtet werden.
Ich hatte mich mit der Situation bereits abgefunden und versuchte das Beste daraus zu machen. In der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember kam ich mit einer Krankenschwester ins GesprĂ€ch - ich konnte im Spital nur schlecht schlafen. Sie meinte: âMöchten Sie morgen fĂŒr einige Stunden zu ihrer Familie gehen?â Ich war verblĂŒfft: âJa, geht denn das?â âDie Ărztin vom Dienst wird Sie untersuchen. Wenn es ihr Gesundheitszustand erlaubt, erhalten Sie einen Ausgangsschein und können einige Stunden nach Hause gehen.â
So war es dann auch. Ich kann kaum beschreiben, wie ich mich freute, mit meiner Familie Weihnachten zu feiern. Es war das schönste Weihnachtsfest, das ich je erlebt habe. Gleichzeitig empfand ich eine tiefe Dankbarkeit gegenĂŒber jener Krankenschwester, die durch ihre Initiative, den Abend möglich gemacht hatte. Britta hat sie geheiĂen, der Weihnachtsengel vom Spital. Sieben Monate spĂ€ter war ich wieder völlig gesund!
Foto Jill Heyer / Unsplash
© Karl Ebinger 2020-12-01
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