Lena mit Affärenabsch(l)uss
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Es ist Feiertag und Lena spaziert gemütlich am Inn entlang. Das Ramadanfasten konnte sie gestern endlich beenden und feierte dies ausgiebig mit Bier und FreundInnen. Lena beobachtet das schnell fließende Wasser. Der Pegel ist erhöht. Die Farbe des Flusses ähnelt dem ihrer Augen. Eine dunkelgrüne Tiefe, die Ruhe ausstrahlt. Auch wenn der Magen vom gestrigen Alkoholkonsum Beschwerden bereitet, ist ihr Herz heute ganz leicht und frei.
Am Vorabend war Chris zu später Stunde zur Party gekommen, als Lena bereits betrunken war. Geredet haben sie kaum, am heutigen Morgen lag er jedoch nackt in ihrem Bett. Lena muss schmunzeln bei dem Gedanken. So viele gute Vorsätze, so viel Nervosität, so viele Gedanken und Interpretationen hatten sie in den letzten Wochen fabriziert. Drei Bier und ein Joint machten alles zunichte. Es war gut so! Und wie gut es war. In ihrem Rausch traute sie sich die Unsicherheiten zu beichten. Es befreite Lena enorm, ehrlich zu erklären, dass Sexualität für sie ein schwieriges Pflaster ist. Als es ausgesprochen war, war auch die Scham verschwunden. Im Gespräch wurde dann auch schnell klar, dass beide wussten, dass es zwischen ihnen nicht funken werde.
Nachdem er die Wohnung verlassen hatte und Lena ihre innere Kritikerin gleich hinterherschickte, atmete sie tief durch und stellte fest, dass es sich überraschenderweise, stimmig anfühlte. Es war neu für sie Sex nur um des Aktes wegen zu haben und sich dabei nicht schlecht zu fühlen. Wieso solle sie sich auch darüber ärgern, wenn sie den Moment genossen hatte? Nur weil es nicht gleich die große Liebe ist? Ist doch auch schön, diese Unverbindlichkeit, denkt sie sich. Es war also alles gut. Die Sache konnte einen runden Abschluss finden und Lena fühlt sich heute entspannt.
Während sie so dahin schlendert, lässt sie den Blick über die Berge schweifen. Sie liebt das unbeständige Wolkenwetter vermischt mit unbändigem Wind. Besonders schön ist es in Innsbruck, wenn die Wolken so tief hängen, dass sie mit den Bergen gemeinsam eine Kuppel über die Stadt spannen. Das ist für Lena ein Bild von Gemütlichkeit und Zuhause. Sie weiß, nach den Schmerzen und Frust der letzten Wochen hat sie sich die Party gestern und das gute Gefühl heute wirklich verdient. „Ich mag es, wenn Begegnungen mit einem ehrlichen Gespräch enden.“, sagt Lena leise zu sich. Kritische Stimmen schleichen sich ein, hätte sie das doch eher gemacht und das sei ja eine Schande, dass sie sich erst betrinken müsse dafür. Aber Lena kontert bewusst: Nein. Heute nicht. Alles ist gut ausgegangen. Heute werde sie sich nicht kritisieren.
Heute ist sie einfach mal glücklich.
© Katharina Bacher 2021-05-13
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